Sachverhalt:
Streitig ist, ob der pflegebedürftige Kläger die erforderliche Vorversicherungszeit
für den Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung erfüllt. Der im Mai 2000
geborene Kläger ist bei der Barmer Ersatzkasse seit seiner Geburt freiwillig krankenversichert
und deshalb bei der Beklagten in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Seine
Mutter ist bei der Barmer Ersatzkasse kranken- und bei der Beklagten pflegepflichtversichert,
während sein Vater seit 1985 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze
privat kranken- und pflegeversichert ist.
Den Antrag des Klägers auf Leistungen der Pflegeversicherung lehnte die Beklagte für
die Zeit bis Mai 2005 wegen Fehlens der Vorversicherungszeit von fünf Jahren ab. Die
Vorversicherungszeit könne durch ein Elternteil nur dann ersetzt werden, wenn das
Kind familienversichert sei. Das sei bei dem Kläger nicht der Fall, weil sein Vater
sich freiwillig als besser verdienender Elternteil der Solidargemeinschaft entzogen habe.
Die beiden Vorinstanzen haben die Beklagte zur Leistungsgewährung verurteilt. Sie
haben es als ausreichend angesehen, dass es sich bei dem Kläger um ein versichertes
Kind gemäß § 33 Abs 2 Satz 3 SGB XI handele; eine Familienversicherung
verlange das Gesetz nicht.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Rechtsstandpunkt weiter
verfolgt.
Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Die Vorinstanzen haben sie zu Recht zur
Leistungsgewährung verurteilt. Entgegen ihrer Auffassung verlangt das Gesetz für
ein versichertes Kind nicht das Bestehen einer Familienversicherung, um die Vorversicherungszeit
durch ein Elternteil zu ersetzen. Für eine hinter dem Wortlaut des Gesetzes zurückbleibende
Gesetzesauslegung besteht kein Grund, zumal die Pflichtmitgliedschaft des Klägers
in der Pflegeversicherung bei der Beklagten auf seiner freiwilligen Mitgliedschaft in der
gleichnamigen Krankenkasse beruhte, die im Hinblick auf die private Versicherung des Vaters
von Seiten der Krankenkasse nicht eingegangen werden musste.
SG Schleswig - S 4 P 26/02 -
Schleswig-Holsteinisches LSG - L 3 P 8/05 - - B 3 P 1/06 R -
Gründe:
I
1
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Leistungen aus der
sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 24.4.2002 bis 23.5.2005.
2
Der am 24.5.2000 geborene Kläger leidet an einer tuberkulösen Hirnsklerose, einer
symptomatischen fokalen Epilepsie und einer psychomotorischen Retardierung; diese Erkrankungen
bedingen einen durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege und
die hauswirtschaftliche Versorgung, der Leistungen nach der Pflegestufe II rechtfertigen
würde. Der Kläger ist bei der Barmer Ersatzkasse seit seiner Geburt freiwillig
krankenversichert und gemäß § 20 Abs 3 SGB XI bei der Beklagten in der
sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Seine Mutter ist ebenfalls bei der Barmer
Ersatzkasse kranken- und bei der Beklagten pflegepflichtversichert, während sein Vater
wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze seit 1985 privat krankenversichert
und seit 1995 privat pflegeversichert ist.
3
Am 24.4.2002 beantragte der Vater des Klägers Pflegeversicherungsleistungen für
diesen. Die Beklagte lehnte dies ab, weil der Kläger die erforderliche Vorversicherungszeit
von fünf Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre nicht erfüllt habe. Zwar gelte
die Vorversicherungszeit ausnahmsweise für versicherte Kinder auch dann als erfüllt,
wenn ein Elternteil sie erfülle, doch dies gelte nur für familien- und nicht
für freiwillig versicherte Kinder (Bescheid vom 30.4.2002, Widerspruchsbescheid vom
10.7.2002). Das Sozialgericht hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und die
Beklagte zur Gewährung von Leistungen nach der Pflegestufe II ab Antragstellung verurteilt
(Urteil vom 13.5.2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die auf den streitigen Zeitraum
beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 25.11.2005): Es
stehe außer Streit, dass bei dem Kläger Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe
II vorliege. Leistungen stünden ihm jedoch auch für die Zeit vor Vollendung des
fünften Lebensjahres zu. Er habe zwar die dazu erforderliche Vorversicherungszeit
von fünf Jahren innerhalb der letzten zehn Jahre nicht erfüllt, doch diese gelte
vorliegend als erfüllt, weil die Mutter des Klägers sie erfülle. Die entgegenstehende
Ansicht der Beklagten, die im Wesentlichen darauf abstelle, dass sich der Vater des Klägers
freiwillig von der sozialen Pflegeversicherung abgewandt habe, verkenne die Tatsache, dass
dieser 1985 nach Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze nicht mehr versicherungspflichtig
und es ihm freigestellt gewesen sei, wie er sich weiterhin versichern wolle. Zudem widerspreche
die Rechtsauffassung der Beklagten Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des Gesetzes.
4
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von §
33 Abs 2 Satz 3 SGB XI. Der Begriff "versicherte Kinder" erfasse nur familienversicherte
Kinder iS von § 25 SGB XI. Schon aus den Gesetzesmaterialien sei ersichtlich, dass
in der Regel auf die Vorversicherungszeit nicht verzichtet werden könne, um die Solidargemeinschaft
nicht zu überfordern; mit dieser Zielsetzung des Gesetzgebers sei die weite Interpretation
des LSG nicht zu vereinbaren. Sinn der Vorversicherungszeit sei es, dass grundsätzlich
nur solche Pflegebedürftigen Leistungen erhalten, die selbst eine angemessene Zeit
vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit zu den Lasten der Solidargemeinschaft beigetragen
haben oder ihren Versicherungsschutz von einem beitragspflichtigen Mitglied der sozialen
Pflegeversicherung ableiten. Soweit sich - wie hier - der besserverdienende Elternteil
der Solidargemeinschaft entzogen habe und privat versichert sei, weise das Gesetz die Kinder
aus solchen Ehen der Versorgung durch die private Versicherung des besser verdienenden
Elternteils zu. Verblieben die Kinder gleichwohl als freiwillige Mitglieder in der sozialen
Pflegeversicherung, müssten sie - wie jede andere Person auch - die Vorversicherungszeit
des § 33 Abs 2 SGB XI in eigener Person erfüllen.
5
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25.11.2005 und des Sozialgerichts
Schleswig vom 13.5.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger verteidigt die Entscheidungen der Vorinstanzen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
7
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die ablehnenden
Entscheidungen der Beklagten zu Recht geändert und diese verurteilt, dem Kläger
Leistungen nach der Pflegestufe II auch für die seit dem Berufungsverfahren nur noch
streitige Zeit vom 24.4.2002 bis 23.5.2005 zu gewähren. Entgegen der Ansicht der Beklagten
sind die Voraussetzungen zur Leistungsgewährung nach der Pflegestufe II nicht nur
im Hinblick auf das Vorliegen von Schwerpflegebedürftigkeit (§§ 14, 15 Abs
1 Satz 1 Nr 2 und Abs 3 Nr 2 SGB XI) gegeben, sondern ebenfalls in Bezug auf die Erfüllung
der nach § 33 Abs 2 SGB XI erforderlichen Vorversicherungszeit.
8
1. Rechtsgrundlage des klägerischen Anspruchs ist § 33 SGB XI in der Ursprungsfassung
vom 26.5.1994 (BGBl I S 1014) iVm dem Leistungskatalog des § 28 Abs 1 SGB XI. Bei
den Beteiligten besteht inzwischen Einigkeit darüber, dass die Erkrankungen des Klägers
einen durchschnittlichen täglichen Zeitaufwand für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche
Versorgung bedingen, der Leistungen nach der Pflegestufe II rechtfertigt; entsprechende
Leistungen gewährt die Beklagte auch seit dem 24.5.2005. Die Leistungsvoraussetzungen
sind jedoch ebenfalls schon für die hier streitige Zeit ab Antragstellung (24.4.2002)
bis zum Tage vor Vollendung des fünften Lebensjahres des Klägers (23.5.2005)
erfüllt. Zwar macht § 33 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB XI den Anspruch auf Pflegeleistungen
davon abhängig, dass der Versicherte in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung
mindestens fünf Jahre als Mitglied versichert oder nach § 25 SGB XI familienversichert
war. Diese Voraussetzung erfüllte der Kläger bis zu seinem fünften Geburtstag
am 24.5.2005 nicht. Gemäß § 33 Abs 2 Satz 3 SGB XI gilt jedoch die Vorversicherungszeit
für versicherte Kinder nach Satz 1 der Vorschrift als erfüllt, wenn ein Elternteil
sie erfüllt. Dies ist hier der Fall, weil die bei der Beklagten pflichtversicherte
Mutter des Klägers die Vorversicherungszeit zweifelsohne erfüllt hat.
9
2. Das Gesetz enthält keine Definition, was unter dem Begriff "versicherte Kinder"
zu verstehen ist. Die Beklagte ist der Auffassung, dass hierunter ausschließlich
familienversicherte Kinder iS von § 25 Abs 1 und 2 SGB XI zu rechnen seien, denn nur
in diesem Fall sei die erforderliche Nähe zur Solidargemeinschaft gegeben. Für
Fälle der vorliegenden Art sei eine Familienversicherung indes gemäß §
25 Abs 3 SGB XI ausgeschlossen, weil der Vater des Klägers privat pflegepflichtversichert
sei und sein Gesamteinkommen im fraglichen Zeitraum monatlich ein Zwölftel der Beitragsbemessungsgrenze
überstiegen habe und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen der
Mutter gewesen sei; deshalb könne auch der Kläger nicht an der beitragsfreien
Familienversicherung teilhaben und nicht in den Genuss der Erfüllungsfiktion des §
33 Abs 2 Satz 3 SGB XI kommen. Diese Auffassung ist aus mehreren Gründen rechtsirrig:
10
a) Sowohl die Vorinstanzen als offensichtlich auch die Beklagte gehen davon aus, dass der
Kläger freiwillig kranken- und pflegeversichert ist; dies ist jedoch hinsichtlich
der Pflegeversicherung unzutreffend. Der Kläger ist nach den Feststellungen des LSG
zwar bei der Barmer Ersatzkasse freiwillig krankenversichert, infolgedessen aber gemäß
§ 20 Abs 3 SGB XI bei der Beklagten gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit
pflichtversichert. Damit wird zwar der Grundsatz, dass die Versicherungspflicht in der
sozialen Pflegeversicherung derjenigen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) folgt,
in gewisser Weise durchbrochen, denn die freiwilligen Versicherung in der GKV führt
nicht zu einer freiwilligen, sondern zur Pflegepflichtversicherung (Peters in: Kasseler
Kommentar zum Sozialversicherungsrecht - Band 2, Stand November 2006, § 20 SGB XI
RdNr 7 und 13 mwN). Diese Durchbrechung ist indes vom Gesetzgeber beabsichtigt und verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden (BVerfGE 103, 271 = SozR 3-3300 § 23 Nr 3). Folge davon ist,
dass der Kläger - wie jeder andere Pflichtversicherte in der Regel auch - Beiträge
zu entrichten hat, die nach entsprechenden Regelungen in der GKV zu berechnen sind (§
57 Abs 4 Satz 1 SGB XI). Damit ist er Pflichtversicherter in der Pflegeversicherung und
sowohl von seinem Status als auch vom Wortlaut der Vorschrift her als "versichertes
Kind" anzusehen, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob und inwieweit freiwillig
Versicherte - etwa in Fällen des § 26 SGB XI oder des § 26a SGB XI - in
den Schutzbereich des § 33 Abs 2 Satz 3 SGB XI einzubeziehen sein könnten.
11
b) Die Würdigung des Wortlauts einer Vorschrift ist Grundlage jeder Auslegung; ist
der Wortlaut eindeutig und nach ihm sprachlich und begrifflich das klar zum Ausdruck gebracht,
was dem vom Gesetzgeber gewollten Sinn der Vorschrift entspricht, so ist grundsätzlich
hiernach auszulegen (BSG, Urteil vom 30.1.2007 - B 2 U 22/05 R -, zur Veröffentlichung
in SozR 4 vorgesehen; vgl auch BSG SozR 3-2200 § 1150 Nr 4 mwN). Der Gesetzgeber spricht
in § 33 Abs 2 Satz 3 SGB XI ausdrücklich von "versicherten Kindern",
den Begriff "Familienversicherung" benutzt er in diesem Zusammenhang nicht. Deshalb
ist bei der Auslegung der Norm auch von diesem Wortlaut auszugehen. Der aus dem allgemeinen
Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn bildet den Ausgangspunkt und bestimmt zugleich die
Grenze der Auslegung, da das, was jenseits des möglichen Wortsinns liegt, mit ihm
auch bei "weitester" Auslegung nicht mehr vereinbar ist, nicht als Inhalt des
Gesetzes gelten kann (vgl BSG SozR 3-2700 § 46 Nr 1). Die Auslegung und Anwendung
einer Norm gegen ihren Wortlaut ist deshalb nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich;
ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor.
12
Auch aus der Begründung zu § 33 SGB XI - damals noch § 29 SGB XI - lässt
sich entnehmen, dass es dem Gesetzgeber um den umfassenden Schutz von Kindern in der Pflegeversicherung
geht. Dort heißt es (BT-Drucks 12/5262 S 110): "Zielsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes
ist es, alle bereits Pflegebedürftigen sofort bei Inkrafttreten des Gesetzes in den
Versicherungsschutz einzubeziehen. Um die Solidargemeinschaft der Versicherten nicht zu
überfordern, kann aber auf Dauer nicht von einer Vorversicherungszeit abgesehen werden.
Es wäre sozialpolitisch nicht befriedigend, wenn jeder, der in die Bundesrepublik
Deutschland zuwandert und Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit Versicherter
der sozialen Pflegeversicherung wird, sofort volle Leistungen der Pflegeversicherung für
sich oder einen mitversicherten Familienangehörigen erhalten könnte, obwohl er
noch keine oder nur eine geringe Vorleistung in Form von Beiträgen erbracht hat. ....
Auch von Geburt oder frühem Kindesalter an pflegebedürftige Kinder, die zB wegen
einer schweren Behinderung erheblich mehr als die übliche Pflege eines Kindes benötigen,
sind vom Versicherungsschutz erfasst, wenn ein Elternteil die Vorversicherung erfüllt
(Satz 3)." Sowohl aus dem Zweck der Vorversicherungszeit, solche Personen zunächst
von Leistungen fernzuhalten, die noch keine oder nur eine geringe Vorleistung in Form von
Beiträgen erbracht haben, als insbesondere auch aus dem letzten Satz der oa Gesetzesbegründung
wird deutlich, dass es für pflegebedürftige Kinder immer einen Schutz in der
sozialen Pflegeversicherung geben soll, wenn ein Elternteil die Vorversicherungszeit erfüllt
- und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob das Kind über eine Familienversicherung
(§ 25 SGB XI) oder aus anderen Gründen in die Versicherungspflicht einbezogen
ist. Die oa Auslegung nach dem Wortsinn entspricht also auch der Intention des historischen
Gesetzgebers, während die von der Beklagten vertretene Auffassung weder im Gesetzestext
noch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommen ist (so auch - ohne Beschränkung
auf eine etwaige Familienversicherung - Leitherer in: Kasseler Kommentar aaO, § 33
SGB XI RdNr 18, und Schuldzinski in: Klie/Krahmer, LPK-SGB XI, 2. Aufl 2003, § 33
RdNr 18).
13
Soweit einzelne Kommentatoren in der Literatur den Begriff "versicherte Kinder"
auf Fälle der Familienversicherung zu beschränken scheinen (Rehberg in: Hauck/Wilde,
SGB XI - Band 1, Stand: Mai 2006, K § 33 RdNr 17; Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000,
§ 33 RdNr 7; Volbers in: Soziale Sicherheit in der Landwirtschaft, 1/96 S 178, 179,
und 1/99 S 11, 12), erfolgt dies ohne nähere Begründung. Offensichtlich wird
dabei übersehen, dass nicht nur familienversicherte Kinder iS von § 25 SGB XI,
sondern auch gemäß § 20 Abs 3 SGB XI versicherungspflichtige Kinder in
den Schutzbereich des § 33 Abs 2 Satz 3 SGB XI einzubeziehen sind und der Gesetzgeber
selbst keine entsprechende Differenzierung vorgenommen hat; die Vorinstanzen sind diesen
Auffassungen zu Recht nicht gefolgt.
14
c) Die Richtigkeit des vorstehenden Ergebnisses erschließt sich auch aus der Vorschrift
des § 33 Abs 4 SGB XI. Diese Regelung ist erst im Vermittlungsverfahren in das Gesetz
eingefügt worden (BT-Drucks 12/7323 S 2) und sieht vor, dass der in Art 28 Abs 1 Gesundheitsstrukturgesetz
vom 21.12.1992 (BGBl I S 2266, 2329) umschriebene Personenkreis - dies sind Personen, die
laufende Hilfe nach dem (früheren) Bundessozialhilfegesetz erhielten und mit Ausnahme
von asylsuchenden Ausländern und ähnlichen Personengruppen in die Versicherungspflicht
der GKV einbezogen wurden - vom Erfordernis der Erfüllung einer Vorversicherungszeit
ausgenommen sind. Zwar ist das nach Art 28 Abs 2 Gesundheitsstrukturgesetz erforderliche
Ausführungsgesetz nie erlassen worden (Leitherer, aaO, § 33 SGB XI RdNr 21),
jedoch zeigt diese Sonderregelung für Sozialhilfebezieher, dass dem (damaligen) Gesetzgeber
auch dieser Personenkreis als besonders schutzwürdig erschienen ist, obwohl er nur
durch besonderes Gesetz in die GKV und damit gemäß § 20 Abs 1 SGB XI auch
in die Pflegeversicherung einbezogen werden sollte. Wenn aber schon Sozialhilfebezieher
in dem vorstehend geschilderten Sinne vom Erfordernis der Erfüllung einer Vorversicherungszeit
ausgenommen werden sollten, dann muss dies erst recht für versicherte Kinder gelten,
die von Geburt oder frühem Kindesalter an pflegebedürftig sind und wegen ihrer
schweren Behinderung erheblich mehr als die übliche Pflege eines Kindes benötigen.
Sie sind "als Versicherte" vom Schutz der sozialen Pflegeversicherung erfasst;
die von der Beklagten vorgenommene Begrenzung des Begriffs "versicherte Kinder"
auf Fälle der Familienversicherung ist daher nicht gerechtfertigt.
15
d) Der Einwand der Beklagten schließlich, der Vater des Klägers habe sich 1985
freiwillig aus der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten gelöst, eine private
Versicherung abgeschlossen und sich damit gegen eine freiwillige Weiterversicherung bei
der Barmer Ersatzkasse entschieden, sodass auch der Kläger entsprechend § 25
Abs 3 SGB XI dem Rechtskreis des besser verdienenden Ehegatten - hier des Vaters - zuzurechnen
sei, ist nicht zutreffend. Zum einen schließt die Regelung des § 25 Abs 3 SGB
XI allein eine Familienversicherung von Kindern aus, soweit die dort näher genannten
Voraussetzungen erfüllt sind; hier geht es jedoch um die Versicherungspflicht nach
§ 20 Abs 3 SGB XI, auf die der oa Ausschlusstatbestand weder vom Wortlaut her noch
sinngemäß anwendbar ist. Zum anderen hat schon das LSG darauf hingewiesen, dass
es dem Vater des Klägers im Jahre 1985 freigestellt war, sich bei der Barmer Ersatzkasse
freiwillig gegen Krankheit zu versichern oder eine private Versicherung abzuschließen;
von einer "Abkehr" aus der Solidargemeinschaft der Versicherten kann deshalb
keine Rede sein.
16
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.