Pflegebedürftige i. S. d. §§ 14, 15 SGB XI haben einen Anspruch auf den Entlastungsbetrag.
Der Entlastungsbetrag ist Bestandteil der häuslichen Pflege, d. h. er ergänzt die Leistungen der ambulanten und teilstationären Pflege in der häuslichen Umgebung. Dies kann der eigene Haushalt, der Haushalt der Pflegeperson oder ein Haushalt sein, in dem der Pflegebedürftige aufgenommen wurde. Das gilt gleichermaßen, wenn der Pflegebedürftige in einer Altenwohnung oder in einem Altenheim wohnt (vgl. Ziffer 1 Abs. 1 zu § 36 SGB XI).
Zum Nebeneinander des Anspruchs nach § 45b SGB XI mit Fürsorgeleistungen zur Pflege vgl. Ziffer 5 zu § 13 SGB XI.
Bei dem Entlastungsbetrag handelt es sich um einen Zuschuss, der zweckgebunden nur für die gesetzlich normierten Sachleistungsangebote, die nachfolgend genannt werden, in Betracht kommt. Hierbei handelt es sich um Angebote, die auf die Entlastung der/des pflegenden Angehörigen und vergleichbar Nahestehenden sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags ausgerichtet sind. Darüber hinaus soll der Entlastungsbetrag dazu beitragen, die Infrastruktur und damit das notwendige Angebot für die Pflegebedürftigen sowie deren pflegende Angehörige und vergleichbar Nahestehenden zu verbessern.
Der Entlastungsbetrag dient der Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme folgender Leistungen entstehen:
Der Entlastungsbetrag kann zum einen die Regelleistung der Tages- und Nachtpflege (§ 41 SGB XI) sowie der Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI, § 39c SGB V nur im Falle des Pflegegrades 1) insoweit ergänzen, als damit diese Leistungen für einen längeren Zeitraum oder in höherer Frequenz beansprucht werden können. Zum anderen können die Leistungen der Kurzzeitpflege ausschließlich durch den Entlastungsbetrag finanziert werden. Dies beispielsweise wenn der Pflegebedürftige aus den vergangenen Monaten den Entlastungsbetrag nicht genutzt hat (vgl. Ziffer 3). In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine Inanspruchnahme der Leistungen nach § 42 SGB XI, so dass keine Anrechnung auf die Leistungsdauer und –höhe nach § 42 SGB XI erfolgt. Das Pflegegeld nach § 37 SGB XI wird bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 in voller Höhe weitergezahlt. Eine Anrechnung des Pflegegeldes auf den Entlastungsbetrag ist ausgeschlossen. Im Einzelfall könnte es sich anbieten, vorrangig den Entlastungsbetrag einzusetzen. Hierauf sollte insbesondere in der Beratung nach §§ 7, 7a SGB XI hingewiesen werden.
Gefordert wird nicht, dass die Tages- und Nachtpflegeeinrichtung bzw. die Kurzzeitpflegeeinrichtung ein spezielles auf den pflegebedürtigen Personenkreis ausgerichtetes Leistungsangebot bereitstellt. Die Entlastung der/des pflegenden Angehörigen und vergleichbar Nahestehender Pflegepersonen sowie infrastrukturfördernde Effekte stehen im Mittelpunkt. Maßgeblich für die Leistungsgewährung ist allein die finanzielle Eigenbelastung des Versicherten aufgrund der Inanspruchnahme der Tages- und Nachtpflege bzw. der Kurzzeitpflege.
Zu den erstattungsfähigen Eigenbelastungen bei Inanspruchnahme der Tages- und Nachtpflege bzw. der Kurzzeitpflege zählen auch die vom Pflegebedürftigen zu tragenden Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten. Die Fahr- und Transportkosten, die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Kurzzeitpflege entstehen, zählen auch zu den erstattungsfähigen Eigenleistungen. Auch hierzu gilt die zuvor beschriebene Zielsetzung.
Beispiel Der Pflegebedürftige (Pflegegrad 3) besucht an insgesamt 22 Tagen im April eine Tagespflegeeinrichtung. Diese berechnet einen täglichen Pflegesatz in Höhe von 62,80 EUR. Berechnung des Entgelts: 62,80 EUR x 22 Tage = 1.381,60 EUR Ermittlung des Leistungsanspruchs: Die Pflegekasse kann nach § 41 SGB XI 1.298,00 EUR zur Verfügung stellen. Auf Antrag des Pflegebedürftigen erstattet die Pflegekasse die Differenz in Höhe von 83,60 EUR (1.381,60 EUR – 1.298,00 EUR) als Entlastungsbetrag, da der Pflegebedürftige von Januar bis April insgesamt einen Anspruch auf den Entlastungsbetrag im Umfang von bis zu 500,00 EUR (125,00 EUR x 4 Monate) erworben hat. Es besteht noch ein Restanspruch auf den Entlas-tungsbetrag in Höhe von bis zu 416,40 EUR (500,00 EUR – 83,60 EUR). |
Der Entlastungsbetrag kann für die Erstattung von Leistungen ambulanter Pflegedienste nach § 36 SGB XI verwendet werden. Die Leistungen können sich dabei auf die Inanspruchnahme von körperbezogenen Pflegemaßnahmen, pflegerischen Betreuungsleistungen und Hilfen bei der Haushaltsführung erstrecken. Bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 erfolgt jedoch keine Erstattung von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Bereich der Selbstversorgung nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI entstehen. Um den Bedarf an Leistungen aus dem Bereich der Selbstversorgung abzudecken, steht diesem Personenkreis jeweils der Pflegesachleistungsbetrag nach § 36 SGB XI zur Verfügung. Diese Leistungseinschränkung gilt jedoch nicht für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1. Diese können den Entlastungsbetrag hingegen auch für Aufwendungen einsetzen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Bereich der Selbstversorgung entstehen.
Zu den erstattungsfähigen Eigenbelastungen bei der Inanspruchnahme von Leistungen zugelassener Pflegedienste zählen auch die vom Pflegebedürftigen zu tragenden Investitionskosten. Bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 gilt dies nur insoweit, dass diese nicht in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Bereich der Selbstversorgung entstanden sind. Investitionskosten, die im Rahmen des Beratungsbesuchs nach § 37 Abs. 3 SGB XI bei Pflegebedürftigen entstehen, können nicht übernommen werden.
Der Entlastungsbetrag kann ebenso für die Erstattung von Leistungen zugelassener Betreuungsdienste nach § 71 Abs. 1a SGB XI verwendet werden, sofern es sich ausschließlich um pflegerische Betreuungsleistungen und Hilfen bei der Haushaltsführung handelt. Dies gilt gleichfalls für die erstattungsfähigen Investitionskosten.
Die Erstattung der Aufwendung erfolgt auch, wenn für die Finanzierung der
Mittel der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI eingesetzt werden.
Ein Anspruch auf den Entlastungsbetrag besteht beispielsweise dann, wenn die Leistungen der Kurzzeitpflege ausgeschöpft sind und der Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 weiterhin in der Einrichtung der Kurzzeitpflege verbleibt, die Finanzierung nunmehr aber im Rahmen der Leistungen der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI erfolgt. Gleiches gilt, wenn anerkannte Angebote zur Unterstützung im Alltag im Rahmen der Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden (z. B. Freizeiten für Menschen mit Behinderung).
(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 1 bis 5 haben einen Anspruch auf den Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125,00 EUR monatlich.
(2) Die Leistungsansprüche sind als monatliche Ansprüche ausgewiesen, um der Zielsetzung einer regelmäßig fortlaufenden Betreuung Ausdruck zu verleihen. Hierbei ist § 41 SGB I maßgeblich, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen erst mit ihrem Entstehen fällig werden. Ein Zugriff auf zukünftig entstehende Leistungsansprüche ist deshalb nicht möglich. Nicht in Anspruch genommene Beträge für zurückliegende Monate können in den Folgemonaten des Kalenderjahres berücksichtigt werden.
Beispiel 1 Der Pflegebedürftige (Pflegegrad 2 seit) besucht an insgesamt 19 Tagen im März eine Tages-pflegeeinrichtung. Diese berechnet einen täglichen Pflegesatz in Höhe von 65,50 EUR. Berechnung des Entgelts: 65,50 EUR x 19 Tage = 1.244,50 EUR Ermittlung des Leistungsanspruchs: Die Pflegekasse kann nach § 41 SGB XI 689,00 EUR zur Verfügung stellen. Auf Antrag des Pflegebedürftigen können mit dem erworbenen Anspruch auf den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI von Januar bis März darüber hinaus Leistungen in Höhe von 375,00 EUR (125,00 EUR x 3 Monate) erstattet werden. Dem Pflegebedürftigen entsteht ein Eigenanteil in Höhe von 180,50 EUR (1.244,50 EUR – 689,00 EUR – 375,00 EUR). Dieser Restbetrag kann mit dem Anspruch auf den Entlastungsbetrag in den Folgemonaten (April bis Dezember) aufgefangen werden. |
(3) Die Erstattung erfolgt gegen Nachweis entsprechender Aufwendungen und ergänzt bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 bis 5 die ambulanten Leistungen (Pflegegeld, Pflegesachleistung, Kombinationsleistung) sowie die teil- bzw. stationären Leistungen (Tages-/Nachtpflege, Kurzzeitpflege). Dies gilt auch für Pflegebedürftige, die Leistungen nach § 43a SGB XI erhalten und den Entlastungsbetrag während der Betreuung an den Wochenenden oder in den Ferienzeiten in der Familie in Anspruch nehmen. Für Pflegebedürftige des Pflegegerades 1 ergänzt der Entlastungsbetrag die nach § 28a SGB XI gewährten ambulanten Leistungen. Für Beihilfeberechtigte gilt § 28 Abs. 2 SGB XI entsprechend (vgl. Ziffer 2 zu § 28 SGB XI).
(4) Einer gesonderten Antragstellung vor der erstmaligen Inanspruchnahme des Entlastungsbetrages bedarf es nicht. Vielmehr ist ausreichend, wenn der Antrag auf Erstattung der Kosten nachträglich eingereicht wird. Der Anspruch entsteht mit Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen, also mit Feststellung des Vorliegens von Pflegebedürftigkeit i. S. v. §§ 14, 15 SGB XI und häuslicher Pflege. Wird ein Nachweis über die erbrachten Aufwendungen für die in § 45b Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SGB XI genannten Leistungen eingereicht, ist dies als Antrag zu werten.
(5) Erfüllt der Versicherte die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsgewährung erst im Laufe eines Kalenderjahres, ist der Entlastungsbetrag ab dem Kalendermonat und für den vollen Monat zur Verfügung zu stellen, in dem der Anspruch auf die Leistung erfüllt wird. Der Entlastungsbetrag kann nicht für Leistungen verwendet werden, die vor der Leistungsbewilligung in Anspruch genommen worden sind.
Beispiel 2 Ab April kann der Pflegebedürftige den Entlastungsbetrag monatlich in Höhe von bis zu 125,00 EUR in Anspruch nehmen. |
Die in einem Kalenderjahr von dem Versicherten nicht in Anspruch genommenen Beträge werden auf das nächste Kalenderhalbjahr übertragen. Ein Antrag des Versicherten ist hierzu nicht erforderlich. Wird der auf das folgende Kalenderhalbjahr übertragene Leistungsanspruch nicht ausgeschöpft, verfällt dieser Anspruch mit dem 30.06.. Im 1. Halbjahr eines Kalenderjahres sind deshalb ggf. aus dem Vorjahr übertragene Ansprüche vorrangig zur Erstattung von Aufwendungen einzusetzen. Für nicht in Anspruch genommene Beträge aus den Jahren 2015 und 2016 wurde die Möglichkeit der Übertragbarkeit bis zum 31.12.2018 ausgeweitet (vgl. Ziffer 3 zu § 144 SGB XI).
Die von den Leistungserbringern erbrachten Leistungen nach § 45b Abs. 1 Satz 3 SGB XI dürfen mit den Pflegekassen für vergleichbare Leistungen ausgehandelten Vergütungen zugelassener Pflegeeinrichtungen nicht übersteigen. Vergleichsmaßstab ist dabei die jeweils für den betreffenden ambulanten Pflegedienst gültige Vergütungsvereinbarung.
Der allgemeine Grundsatz hinsichtlich des Zusammentreffens der Pflegeversicherung mit denen der Fürsorgeleistungen zur Pflege wird insoweit durchbrochen, als der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege grundsätzlich keine Berücksichtigung findet. Beide Leistungsansprüche bestehen daher nebeneinander (vgl. hierzu Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 8.10.2008, Rundschreiben Nr. 2008/141 des GKV-Spitzenverbandes). Dies gilt jedoch nicht für Leistungsansprüche nach §§ 64i und 66 SGB XII (Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1 und bei den Pflegegraden 2 bis 5), soweit diese Regelungen Leistungen vorsehen, die inhaltlich deckungsgleich mit den Leistungen nach § 45b Abs. 1 Satz 3 SGB XI sind. In diesem Fall findet der Entlastungsbetrag Berücksichtigung und die Regelung des § 63b Abs. 1 Satz 3 SGB XII Anwendung.
Der Leistungserbringer hat auf den jeweiligen Nachweisen zur Kostenerstattung anzugeben, für welche der in § 45b Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 4 SGB XI genannten Leistungen die Aufwendungen erstattet werden sollen. Die Angaben haben in der Art und Weise zu erfolgen, dass sie für die Pflegekasse ohne Weiteres eindeutig erkennbar und zuordnungsfähig ist. Macht der Leistungserbringer keine Angaben welche Leistung erbracht wurde, erfolgt keine Differenzierung.