(1) Die Pflegekassen stellen zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen oder zur Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung des Pfle- gebedürftigen Pflegehilfsmittel zur Verfügung (§ 40 Abs. 1 SGB XI). Der Anspruch besteht für Pflegebedürftige der Pflegegrade 1 bis 5 und nur bei häuslicher Pflege.
(2) Die Pflegehilfsmittel sind bei der Pflegekasse zu beantragen. Vor der Bewilligung eines Pflegehilfsmittels kann die Pflegekasse in geeigneten Fällen die Notwendigkeit der Versorgung mit dem beantragten Pflegehilfsmittel unter Beteiligung einer Pflegefachkraft oder des Medizinischen Dienstes überprüfen lassen. Die Pflegekasse hat über den Antrag zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. In Fällen, in denen eine Pflegefachkraft oder der Medizinische Dienst beteiligt wird, hat sie innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Pflegekasse diese Fristen nicht einhalten, hat sie dies dem Antragsteller unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitzuteilen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt das Pflegehilfsmittel nach Ablauf der Frist von drei bzw. fünf Wochen als genehmigt. Über einen Antrag auf ein Pflegehilfsmittel, das von einer Pflegefachkraft bei der Antragstellung nach § 40 Abs. 6 Satz 2 SGB XI empfohlen wurde, ist zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (vgl. Ziffer 1.6). Weitergehende Ausführungen zu dieser sogenannten Genehmigungsfiktion siehe Ziffer 9 ff. Die Genehmigungsfiktion gilt nicht, sofern der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter im Rahmen der Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgegeben hat. Näheres hierzu unter Ziffer 1.5. Auch findet die Genehmigungsfiktion keine Anwendung, wenn noch keine Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde. In diesem Fall ist der Antrag auf das Pflegehilfsmittel abzulehnen.
(3) Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 SGB XI erstellt der GKV-Spitzenverband als Anlage zu dem Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V ein systematisch strukturiertes Pflegehilfsmittelverzeichnis. Dieses enthält Produkte, die generell nach ihrer Konstruktion, Ausstattung, Funktion und Zweckbestimmung die Pflege erleichtern, Beschwerden lindern bzw. eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, ohne als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens eingestuft zu sein. Über die Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln schließt der GKV-Spitzenverband mit den Leistungserbringern oder deren Verbänden Verträge. Ungeachtet dessen können auch die Pflegekassen entsprechende Verträge schließen (§ 78 Abs. 1 SGB XI).
(1) Aufwendungen für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel werden bis zum gesetzlich geltenden Höchstbetrag übernommen (ab 01.01.2022 in Höhe von 40,00 EUR). Aufwendungen, die über diesen Höchstbetrag hinausgehen, gehen zu Lasten des Pflegebedürftigen. Der Versicherte kann wählen, ob er zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel als Sachleistung im Rahmen der zwischen dem GKV-Spitzenverband mit den Leistungserbringern oder deren Verbände geschlossenen Verträge oder in Form der Kostenerstattung für selbst beschaffte Pflegehilfsmittel in Anspruch nehmen will. Wählt der Versicherte die Kostenerstattung, sollte aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität in Fällen, in denen ein monatlicher Bedarf an zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln in Höhe des gesetzlichen geltenden Höchstbetrags (ab 01.01.2022 in Höhe von 40,00 EUR)nachgewiesen ist (wenn beispielsweise im letzten halben Jahr der Leistungsanspruch stets voll ausgeschöpft wurde und dies auch zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist), auf die monatliche Vorlage von entsprechenden Belegen verzichtet werden. In diesen Fällen kann ohne weitere Prüfung der monatliche Höchstbetrag ausgezahlt werden.
(2) Technische Pflegehilfsmittel sollen vorrangig leihweise überlassen werden. Lehnt der Versicherte die leihweise Überlassung ohne zwingenden Grund ab, hat er die Kosten des Pflegehilfsmittels in vollem Umfang selbst zu tragen. Auch Mehrkosten für eine vom Versicherten gewünschte Ausstattung des Pflegehilfsmittels, die über das Maß des Notwendigen hinausgeht, sowie dadurch bedingte Folgekosten gehen zu Lasten des Versicherten.
(1) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, haben zu den Kosten der Pflegehilfsmittel eine Zuzahlung in Höhe von 10 v. H., höchstens jedoch 25,00 EUR je Pflegehilfsmittel, zu zahlen. Abweichend hiervon richtet sich die Zuzahlung bei doppelfunktionalen Hilfsmitteln entsprechend der Vorschriften des § 40 Abs. 5 Satz 7 SGB XI nach den Regelungen der §§ 33, 61 und 62 SGB V. Eine Zuzahlungspflicht besteht jedoch nicht bei zum Verbrauch bestimmten Pflegehilfsmitteln sowie bei leihweise bzw. im Leasingverfahren überlassenen technischen Pflegehilfsmitteln.
(2) In analoger Anwendung der Regelung des § 62 SGB V ist die Zuzahlung für Versicherte auf die individuelle Belastungsgrenze in Höhe von zwei v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt begrenzt. Für Versicherte, die nach den Regelungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz SGB V als chronisch krank anerkannt sind, gilt als Belastungsgrenze auch im Recht der Pflegeversicherung der reduzierte Wert von ein v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Die Regelung im Recht der GKV, wonach die Belastungsgrenze bei Versicherten, die Vorsorgeuntersuchungen nicht in Anspruch nehmen, generell bei zwei v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt liegt, findet hingegen keine Anwendung.
(3) In die Berechnung der maßgeblichen Zuzahlungen für den Abgleich mit der individuellen Belastungsgrenze sind die Zuzahlungen des Versicherten für Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs. 3 SGB XI sowie für Hilfsmittel nach § 33 Abs. 8 SGB V (und weitere nach §§ 61, 62 SGB V berücksichtigungsfähige Zuzahlungen) einzubeziehen. Nicht berücksichtigt werden
Versicherte, die im Bereich der GKV wegen Erreichung der Belastungsgrenze von weiteren Zuzahlungen befreit sind, sind damit automatisch auch von Zuzahlungen im Bereich der Pflegekasse befreit. Dies ist auf den Bescheinigungen über die Befreiung (vgl. § 62 Abs. 3 SGB V) zu berücksichtigen.
Wie unter Ziffer 1.1 Abs. 2 ausgeführt, enthält das Pflegehilfsmittelverzeichnis Produkte, die generell nach ihrer Konstruktion, Ausstattung, Funktion und Zweckbestimmung die Pflege erleichtern, Beschwerden lindern bzw. eine selbständigere Lebensführung ermöglichen. Das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V enthält Produkte, die nach ihrer Konstruktion, Ausstattung, Funktion und Zweckbestimmung dazu geeignet sind, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
Ungeachtet der Zuordnung der Produkte zu den vorgenannten Verzeichnissen ist die Prüfung des Leistungsanspruchs jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei sind die medizinischen Voraussetzungen einer möglichen Hilfsmittelversorgung der Krankenkassen nach § 33 SGB V stets vorrangig zu prüfen. Erst wenn medizinisch der Anspruch gegen die Krankenkasse zu verneinen ist, ist der Weg für eine Prüfung der pflegerischen Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 40 SGB XI eröffnet. Ein Anspruch nach § 40 Abs. 1 SGB XI besteht von daher nur dann, wenn
Bei Produkten, die bisher weder im Hilfsmittelverzeichnis noch im Pflegehilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, gilt ein vergleichbarer Maßstab.
Zur Festlegung der doppelfunktionalen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel sowie zur Bestimmung des Verhältnisses zur Aufteilung der Ausgaben zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sind die Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Festlegung der doppelfunktionalen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel sowie zur Bestimmung des Verhältnisses zur Aufteilung der Ausgaben zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung (Richtlinien zur Festlegung der doppelfunktionalen Hilfsmittel RidoHiMi) zu berücksichtigen. Die Zuzahlung richtet sich beim Vorliegen von doppelfunktionalen Hilfsmitteln nach den §§ 33, 61 und 62 SGB V.
Der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter gibt im Rahmen der Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung ab. Bei Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die den Zielen des § 40 SGB XI dienen, gelten die Empfehlungen jeweils als Antrag auf Leistungsgewährung, sofern der Pflegebedürftige zustimmt.
Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die den Zielen des § 40 SGB XI dienen, sind die in den Richtlinien zur Festlegung der doppelfunktionalen Hilfsmittel festgelegten Pflegehilfsmittel und Hilfsmittel sowie alle übrigen im Verzeichnis nach § 78 SGB XI aufgeführten Pflegehilfsmitteln. Außerdem können Adaptionshilfen, Gehhilfen, Hilfsmittel gegen Dekubitus, aufsaugende Inkontinenzhilfen, Stehhilfen und Stomaartikel empfohlen werden.
Bezüglich der Pflegehilfsmittel wird die Notwendigkeit der Versorgung vermutet. Bezüglich der empfohlenen Hilfsmittel wird die Erforderlichkeit vermutet; insofern bedarf es keiner ärztlichen Therapieentscheidung sowie Verordnung nach § 33 Abs. 5a SGB V.
Damit ist eine weitergehende fachliche Überprüfung grundsätzlich nicht mehr geboten, es sei denn die Kranken- und Pflegekasse stellt die offensichtliche Unrichtigkeit der Empfehlung fest. Die Vermutung ersetzt nicht die Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch die Krankenkasse. Voraussetzung für die Leistungsgewährung ist ferner, dass die jeweiligen weiteren leistungs- und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen.
Für alle anderen Hilfsmittel, die nicht den Zielen des § 40 SGB XI dienen (z. B. Kommunikationshilfen, Sehhilfen, Hörhilfen, Orthesen) gilt diese Regelung nicht. Die Versorgungsempfehlung ist in diesen Fällen nicht als Leistungsantrag zu werten.
Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung nach §§ 36 SGB XI und §§ 37, 37c SGB V sowie der Beratungsbesuche nach § 37 Abs. 3 SGB XI konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben. Die Empfehlung der Pflegefachkraft darf bei Antragstellung nicht älter als zwei Wochen sein und ist zusammen mit dem Antrag des Versicherten in Textform an die Kranken- oder Pflegekasse zu übermitteln.
Hinsichtlich der Grundsätze zur Vermutung der Erforderlichkeit des empfohlenen Hilfsmittels und der Notwendigkeit der Versorgung mit dem Pflegehilfsmittel wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1.5 verwiesen.
In den Richtlinien des GKV-Spitzenvrbandes zur Empfehlung von Hilfsmittln und Pflegehilfsmitteln durch Pflegefachkräfte gemäß § 40 Abs. 6 Satz 6 SGB XI ist festgelegt, in welchen Fällen und für welche Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel die Erforderlichkeit oder Notwendigkeit der Versorgung vermutet wird. Ebenfalls ist in den Richtlinien festgelegt, über welche Eignung die empfehlende Pflegefachkraft verfügen sollte. Das Nähere zum Verfahren der Empfehlung durch die versorgende Pflegefachkraft bei Antragsstellung wird ebenso festgelegt.
(1) Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, wie z. B. Umbaumaßnahmen und/oder technische Hilfen im Haushalt (§ 40 Abs. 4 SGB XI).
(2) Finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen können gewährt werden, wenn dadurch im Einzelfall
Dabei sind die Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nicht nur auf den Ausgleich und die Aufrechterhaltung der Selbständigkeit oder der Beeinträchtigung der Fähigkeiten i. S. des § 14 SGB XI bzw. auf die Herbeiführung der Entbehrlichkeit solcher Hilfeleistungen beschränkt.
(1) Die Pflegekassen können bis zu einem Betrag von 4.000,00 EUR je Maßnahme im Rahmen ihres Ermessens Zuschüsse gewähren. Hierbei handelt es sich um
(2) Eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen liegt auch vor, wenn den Besonderheiten des Einzelfalles durch einen Umzug in eine den Anforderungen des Pflegebedürftigen entsprechende Wohnung (z. B. Umzug aus einer Obergeschoss- in eine Parterrewohnung) Rechnung getragen werden kann. In diesem Fall kann die Pflegekasse die Umzugskosten bezuschussen. Sofern noch Anpassungen in der neuen Wohnung erforderlich sind, können neben den Umzugskosten weitere Aufwendungen für eine Wohnumfeldverbesserung bezuschusst werden. Dabei darf allerdings der Zuschuss für den Umzug und die Wohnumfeldverbesserung insgesamt den Betrag von 4.000,00 EUR nicht überschreiten.
(3) Da es sich bei den Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes um eine Zuschussleistung handelt, ist der Antragsteller mit der Bewilligung darauf hinzuweisen, dass die sich im Zusammenhang mit dieser Maßnahme ergebenden mietrechtlichen Fragen in eigener Verantwortlichkeit zu regeln sind. Im Rahmen ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht nach §§ 7, 31 SGB XI sollten hier die Pflegekassen tätig werden (z. B. durch Einschaltung des MD).
(4) Die Bewilligung von Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes durch die Pflegekasse bzw. einen anderen Leistungsträger schließt einen gleichzeitigen Anspruch auf Hilfsmittel nach § 33 SGB V bzw. Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs. 1 SGB XI grundsätzlich nicht aus. Z. B. könnte die Pflegekasse als Wohnumfeldverbesserung die Herstellung eines bodengleichen Zuganges zur Dusche bezuschussen und die GKV bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 33 SGB V einen Duschsitz zur Verfügung stellen.
(1) Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes kommen in der Wohnung des Pflegebedürftigen oder in dem Haushalt, in den er aufgenommen wurde, in Betracht. Entscheidend ist, dass es sich um den auf Dauer angelegten, unmittelbaren Lebensmittelpunkt des Pflegebedürftigen handelt. In Alten- und Pflegeheimen sowie Wohneinrichtungen, die vom Vermieter gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden und in denen Leistungen angeboten oder gewährleistet werden, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI für die vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen, liegt eine Wohnung/ein Haushalt in diesem Sinne nicht vor.
(2) Maßnahmen i. S. von § 40 Abs. 4 SGB XI kommen sowohl in vorhandenem Wohnraum wie auch im Zusammenhang mit der Herstellung neuen Wohnraums in Frage. Voraussetzung ist, dass die Maßnahmen auf die individuellen Anforderungen des Bewohners ausgerichtet sind.
(3) Wird die wohnumfeldverbessernde Maßnahme im Zusammenhang mit der Herstellung neuen Wohnraums durchgeführt, sind hinsichtlich der Zuschussbemessung die durch die Maßnahme entstandenen Mehrkosten zu berücksichtigen (z. B. Mehrkosten durch Einbau breiterer als den DIN-Normen entsprechender Türen, Einbau einer bodengleichen Dusche anstelle einer Duschwanne). In der Regel werden sich die Mehrkosten auf die Materialkosten erstrecken. Mehrkosten beim Arbeitslohn und sonstigen Dienstleistungen können nur berücksichtigt werden, wenn sie eindeutig auf die wohnumfeldverbessernde Maßnahme zurückzuführen sind.
(1) Die Pflegekasse kann je Maßnahme einen Zuschuss bis zu einem Betrag von 4.000,00 EUR gewähren. Dabei sind alle Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Zuschussgewährung (und damit auf der Grundlage des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Hilfebedarfs) zur Wohnumfeldverbesserung erforderlich sind, als eine Verbesserungsmaßnahme zu werten. Hierbei ist nicht maßgeblich, ob die notwendigen Einzelmaßnahmen
Dies gilt auch dann, wenn die Verbesserungsmaßnahmen in Einzelschritten verwirklicht werden. So stellt z. B. bei der Befahrbarmachung der Wohnung für den Rollstuhl nicht jede einzelne Verbreiterung einer Tür eine Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift dar, sondern die Türverbreiterungen und die Entfernung von Türschwellen insgesamt.
(2) Ändert sich die Pflegesituation und werden weitere Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung erforderlich, handelt es sich erneut um eine Maßnahme im Sinne von § 40 Abs. 4 SGB XI, so dass ein weiterer Zuschuss bis zu einem Betrag von 4.000,00 EUR gewährt werden kann.
Beispiel Diese Wohnumfeldverbesserungen sind als eine Maßnahme i. S. des § 40 Abs. 4 SGB XI zu werten und mit maximal 4.000,00 EUR zu bezuschussen. Aufgrund der wegen zunehmenden Alters eingeschränkten Hilfestellungen der Ehefrau und weiterer Einschränkungen der Mobilität des Pflegebedürftigen ist zu einem späteren Zeitpunkt die Benutzung der vorhandenen Badewanne nicht mehr möglich. Durch den Einbau einer bodengleichen Dusche kann die Pflege weiterhin im häuslichen Bereich sichergestellt werden. Hier sind durch die veränderte Pflegesituation weitere wohnumfeldverbessernde Maßnahmen erforderlich geworden, die erneut mit maximal 4.000,00 EUR bezuschusst werden können. |
Der Zuschuss beträgt je Maßnahme bis zu 4.000,00 EUR. Er ist auf die tatsächlichen Kosten der Maßnahme begrenzt. Überschreiten die Kosten der Maßnahme 4.000,00 EUR, ist der über dem Zuschuss liegende Betrag von dem Pflegebedürftigen selbst zu tragen.
Bei der Zuschussgewährung sind als Kosten der Maßnahme Aufwendungen für
zu berücksichtigen. Wurde die Maßnahme von Angehörigen, Nachbarn oder Bekannten ausgeführt, sind die tatsächlichen Aufwendungen (z. B. Fahrkosten, Verdienstausfall) zugrunde zu legen.
(1) Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, deren Einbau bzw. Umbau bereits von der Pflegekasse bezuschusst worden sind und die repariert oder gewartet werden müssen, können als wohnumfeldverbessernde Maßnahme dann bezuschusst werden, wenn der Höchstbetrag nicht ausgeschöpft worden ist. Der Zuschuss zur Reparatur zur Wiederherstellung oder Wartung ist in diesem Fall auf den noch zur Verfügung stehenden Restbetrag beschränkt. Die Gewährung eines neuen Zuschusses ist für funktionswiederherstellende Reparaturen oder Wartungen daher nicht möglich (Urteil des BSG vom 25.01.2017, Az.: B 3 P 4/16 R).
(2) Sofern jedoch der Defekt an einer mit dem Höchstbetrag bezuschussten wohnumfeldverbessernden Maßnahme zu deren kompletten Ausfall oder Gebrauchsunfähigkeit führt, kann dies als Änderung der Pflegesituation (vgl. Ziffer 4) gewertet werden mit der Folge, dass die Ersatzbeschaffung als weitere Maßnahme i. S. d. § 40 Abs. 4 SGB XI gewährt wird. Dies setzt aber voraus, dass die wohnumfeldverbessernde Maßnahme vollständig gebrauchsunfähig ist und ersetzt werden muss, ohne dass eine mutwillige Herbeiführung vorliegt bzw. zivilrechtliche Ansprüche gegen Dritte wegen der Gebrauchsunfähigkeit bestehen.
(1) Leben mehrere Anspruchsberechtigte in einer gemeinsamen Wohnung, kann der Zuschuss für dieselbe Maßnahme zur Verbesserung des gemeinsamen Wohnumfeldes für jeden Pflegebedürftigen maximal 4.000,00 EUR betragen. Der Gesamtbetrag je Maßnahme ist auf insgesamt 16.000,00 EUR begrenzt und wird gleichmäßig auf die Pflegebedürftigen aufgeteilt.
(2) Die beteiligten Pflegekassen und privaten Versicherungsunternehmen erstatten von den Gesamtkosten einen gleichmäßigen Anteil, sofern der Anspruch nicht ausgeschöpft ist. Dieser Anteil errechnet sich aus den Gesamtkosten geteilt durch die Anzahl der Pflegebedürftigen. Zur Abrechnung ist für jeden Pflegebedürftigen von der erstangegangenen Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen eine Kopie der Originalrechnung mit der Bestätigung zur Verfügung zu stellen, dass der Originalbeleg vorliegt. Zudem muss die Höhe des Erstattungsbetrages bescheinigt werden.
(3) Leben die Pflegebedürftigen in einer ambulant betreuten Wohngruppe (§ 38a SGB XI) und liegen die Anspruchsvoraussetzungen nach § 40 Abs. 4 SGB XI vor, können diese Leistungen ergänzend zu den Leistungen nach § 45e SGB XI in Anspruch genommen werden (vgl. Ziffer 1 zu § 45e SGB XI). Insgesamt können die Gesamtkosten der Maßnahme immer nur unter Berücksichtigung der Höchstgrenze der jeweiligen Zuschüsse nach §§ 40 Abs. 4 und 45e Abs. 1 SGB XI übernommen werden.
Die Pflegekassen können subsidiär (nachrangig) Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes gewähren. D. h., Leistungen der Pflegekassen kommen nur dann in Betracht, wenn kein anderer Leistungsträger vorrangig verpflichtet ist.
(1) Im Rahmen der Wiedereingliederungshilfe für behinderte Menschen wird nach §§ 90 ff SGB IX Hilfe bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen des behinderten Menschen entspricht, gewährt. Dies gilt auch für die Altenhilfe im Sinne von § 71 Abs. 2 SGB XII. Beschädigte und Hinterbliebene erhalten im Rahmen der Kriegsopferfürsorge (vgl. §§ 25 ff. BVG) unter den Voraussetzungen des § 27c BVG Wohnungshilfe.
(2) Diesen fürsorgerischen, von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängigen Sozialleistungen gehen die Leistungen der Pflegeversicherung vor. Der Anspruch auf diese Leistungen bleibt von den Leistungen der Pflegekasse jedoch unberührt, soweit die Leistungen der Pflegekasse den Bedarf im Einzelfall nicht abdecken (vgl. Ziffer 3 zu § 13 SGB XI). Die Pflegekasse hat in diesen Fällen die Pflegebedürftigen auf die ggf. bestehenden weiter gehenden Ansprüche nach dem SGB XII bzw. BVG hinzuweisen und entsprechende Anträge durch Weiterleitung der vorhandenen Unterlagen (z. B. Stellungnahme des MD, Kostenvoranschläge, Bescheinigung über den Zuschuss der Pflegekasse) an die zuständigen Leistungsträger zu unterstützen.
(1) Die für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständigen Rehabilitationsträger (z. B. Unfallversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit) übernehmen vorrangig unter den trägerspezifischen Voraussetzungen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 i.V.m. Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX auch Kosten der Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang.
(2) Darüber hinaus gewährt die Unfallversicherung nach § 39 Abs. 1 Nr. 2, § 41 SGB VII vorrangig Wohnungshilfe, wenn sie wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls erforderlich wird.
(3) Die Integrationsämter können im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben Geldleistungen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen des schwerbehinderten Menschen entspricht, gewähren (vgl. § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d SGB IX). Darüber hinaus können sie im Rahmen der nachgehenden Hilfe im Arbeitsleben Leistungen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behindertengerechten Wohnung gewähren (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1d i.V.m. § 22 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung – SchwbAV). Diese Leistungen gehen den Leistungen der Pflegeversicherung vor, so dass grundsätzlich bei berufstätigen Pflegebedürftigen, die schwerbehindert im Sinne von § 2 SGB IX (Grad der Behinderung von wenigstens 50 v. H.) sind, Zuschüsse zu Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen durch die Pflegekassen nicht in Betracht kommen.
(1) Zuschüsse zu Maßnahmen der Wohnumfeldverbesserung sollten vor Beginn der Maßnahme mit einem Kostenvoranschlag bei der Pflegekasse beantragt werden (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, § 19 Satz 1 SGB IV). Die Pflegekasse hat über den Antrag zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine Pflegefachkraft oder der Medizinische Dienst beteiligt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Kann die Pflegekasse diese Fristen nicht einhalten, hat sie dies dem Antragsteller unter Darlegung der Gründe rechtszeitig schriftlich mitzuteilen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt der Zuschuss für die wohnumfeldverbessernde Maßnahme nach Ablauf der Frist von drei bzw. fünf Wochen als genehmigt. Näheres zur Genehmigungsfiktion unter Ziffer 9 ff. Die Genehmigungsfiktion findet keine Anwendung, wenn bisher keine Pflegebedürftigkeit vorliegt.
(2) Der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter hat in dem im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit anzufertigenden Gutachten (vgl. Ziffer G "Formulargutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI" der Begutachtungs-Richtlinien) Empfehlungen an die Pflegekasse über die notwendige Versorgung mit technischen Pflegehilfsmitteln und baulichen Maßnahmen zur Anpassung des Wohnumfeldes auszusprechen (vgl. Punkt 4.12 der Begutachtungs-Richtlinien). Die Empfehlung gilt als Antrag auf Leistungsgewährung, sofern der Versicherte nichts Gegenteiliges erklärt. Dies gilt auch, wenn im Rahmen der Beratungseinsätze nach § 37 Abs. 3 SGB XI wohnumfeldverbessernde Maßnahmen angeregt werden.
(1) Die Pflegekassen sind verpflichtet, die Pflegebedürftigen hinsichtlich der Bezuschussung von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen zu beraten (vgl. § 7 Abs. 2 SGB XI; zu dem weitergehenden Anspruch auf Pflegeberatung vgl. Ziffer 4 zu § 7a SGB XI). Diese Beratung umfasst neben den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen auch die individuelle Beratung über in Frage kommende Maßnahmen (als Orientierungshilfe dient der Katalog möglicher Maßnahmen in Ziffer 8). Werden mit dieser Beratung externe Stellen beauftragt, handelt es sich um Beratungskosten im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB XI.
(2) Bei der Beratung über die in Frage kommenden Maßnahmen steht die Zielsetzung im Vordergrund, den Wohnraum so anzupassen, dass er den individuellen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen gerecht wird.
Dabei ist vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots (vgl. § 29 SGB XI) und der begrenzten Zuschussmöglichkeit – auch im Interesse der Pflegebedürftigen – zu prüfen, ob anstelle von Baumaßnahmen oder der beantragten Maßnahmen einfachere Lösungen (z. B. Einsatz von Hilfs- und Pflegehilfsmitteln) in Betracht kommen.
(3) Die Beratung ist abzugrenzen von den Durchführungshandlungen in Bezug auf die konkrete Maßnahme. Durchführungshandlungen in diesem Sinne sind z. B. die Beratung zu Angeboten von Handwerkern bis zum Vertragsabschluss, die technische Beratung durch Architekten (z. B. das Erstellen eines Gutachtens über mögliche bauliche Maßnahmen z. B. in Bezug auf die Statik), die Beantragung von Eigentümergenehmigungen sowie anderer notwendiger Zustimmungen (Eigentümerversammlung, Straßenverkehrsamt, das Stellen von Bauanträgen oder die Bauüberwachung), die Nachschau der durchgeführten Maßnahme und die Durchsicht der Rechnungen. Solche Vorbereitungs- und Durchführungshandlungen sind nicht Gegenstand des Anspruchs auf Pflegeberatung nach § 7a SGB XI. Aufwendungen für diese Handlungen werden ggf. als Kosten der Maßnahme bei der Festsetzung des Zuschusses berücksichtigt (siehe Ziffer 5.1). Beauftragt der Anspruchsberechtigte für die Planung, Durchführung oder Überwachung der Maßnahme externe Stellen, sind diese Kosten als Teil der Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes zu werten und bei der Bemessung des Zuschusses zu berücksichtigen.
Die Pflegekasse überprüft – ggf. in Zusammenarbeit mit einer beauftragten Pflegefachkraft oder dem MD, die erforderlichenfalls andere Fachkräfte als externe Gutachter hinzuziehen, ob durch die beantragte Maßnahme im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt werden kann, sofern diese Prüfung nicht bereits im Rahmen der Beratung im Vorfeld des Leistungsantrags erfolgte (vgl. Ziffer 7.2). Stellt sich im Rahmen dieser Prüfung heraus, dass es eine einfachere und effektivere Lösung gibt, hat die Pflegekasse entsprechende Empfehlungen zu geben.
Die Zuschussgewährung nach § 40 Abs. 4 SGB XI setzt voraus, dass die geplante Maßnahme die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Von diesen zuschussfähigen Maßnahmen sind reine Modernisierungsmaßnahmen oder Maßnahmen, mit denen eine allgemeine standardmäßige Ausstattung der Wohnung erreicht wird, abzugrenzen, wenn diese nicht in direktem Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit stehen.
So ist z. B. der Einbau eines nicht vorhandenen Bades grundsätzlich eine allgemeine standardmäßige Ausstattung der Wohnung; ist der Bewohner jedoch nicht mehr in der Lage, die bisherige Waschmöglichkeit (z. B. das Etagenbad) zu benutzen und kann durch den Einbau des Bades verhindert werden, dass der Pflegebedürftige seine Wohnung aufgeben muss, handelt es sich um eine Maßnahme i. S. von § 40 Abs. 4 SGB XI.
Insbesondere folgende Maßnahmen sind keine Maßnahmen i. S. von § 40 Abs. 4 SGB XI:
In den Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 78 Abs. 2a SGB XI zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen in der jeweils gültigen Fassung sind Maßnahmen aufgelistet, deren Leistungsvoraussetzungen nach den o. g. Grundsätzen in jedem Einzelfall zu überprüfen sind.
Ein wesentliches Versorgungsziel wohnumfeldverbessernder Maßnahmen ist die Barrierefreiheit. Die Anforderungen an die Aufnahme der Maßnahmen in das Vezeichnis orientiert sich an den DIN-Normen DIN 18040-2. Ob die in den Empfehlungen festgelegten Anforderungen erfüllt sind, kann durch eine Eigenerklärung des Herstellers nachgewiesen werden. Insbesondere bei Bestandsbauten kann jedoch eine Barrierefreiheit im Einzelfall nicht erreicht werden können, sondern gegebenfalls nur Barrierearmut. Ist im Einzelfall eine Barrierefreiheit bei Vorliegen der übrigen Leistungsvoruassetzungen nicht zu erreichen, führt dies nicht zu einer Ablehnung des Antrags auf Zuschuss zu einer wohnumfeldverbessernden Maßnahme.
Die Regelungen in § 40 Abs. 7 SGB XI lehnen sich inhaltlich eng an die für die Krankenkassen bereits mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ vom 20.02.2013 eingeführten Regelungen in § 13 Abs. 3a SGB V an. Insoweit ergeben sich Parallelen zu dem von GKV-Spitzenverband und den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene erstellten „Gemeinsamen Rundschreiben vom 26.09.2018 zu den leistungsrechtlichen Auswirkungen des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten in Bezug auf § 13 Abs. 3a SGB V“ in der jeweils aktuellen Fassung. Im Unterschied zum Recht der Krankenversicherung beinhaltet die Vorschrift des § 40 Abs. 7 SGB XI keinen Kostenerstattungsanspruch bei Selbstbeschaffung wegen fehlender Antragsbescheidung. Demzufolge begründet die leistungsrechtliche Genehmigungsfiktion nach § 40 Abs. 7 SGB XI lediglich einen eigenständig durchsetzbaren Sachleistungsanspruch auf Pflegehilfsmittel sowie auf Zuschussleistungen für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes.
Die Vorschrift bezweckt die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für Pflegehilfsmittel und Zuschüssen für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes bei den Pflegekassen. Dies dient zum einen der schnellen Klärung von Ansprüchen dieser Leistungen, zum anderen erhalten die Pflegebedürftigen bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in kurzer Zeit ihre Leistungen.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB XI kann die Pflegekasse vor Bewilligung eines Pflegehilfsmittels in geeigneten Fällen durch eine Pflegefachkraft oder den MD prüfen lassen, ob das beantragte Pflegehilfsmittel erforderlich ist. Damit wird die Beauftragung einer Pflegefachkraft oder des MD in das Ermessen der Pflegekasse gestellt. Insoweit erfolgt eine Angleichung an die bereits in § 275 Abs. 2 SGB V bestehende Regelung zur Beauftragung des Medizinischen Dienstes vor Bewilligung eines Hilfsmittels durch die Krankenkasse. In § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB XI wird klargestellt, dass auch vor Bewilligung eines beantragten Zuschusses zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen die Pflegekasse in geeigneten Fällen die Notwendigkeit durch eine Pflegefachkraft oder den medizinischen Dienst überprüfen lassen kann.
Kann über einen Antrag auf Pflegehilfsmittel oder Zuschüsse zu wohnumfeldverbessernde Maßnahmen nicht innerhalb von drei Wochen oder in Fällen, in denen eine Pflegefachkraft oder der Medizinische Dienst beteiligt wird, nicht innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entschieden werden, muss die Pflegekasse dies dem Pflegebedürftigen unter Darlegung eines hinreichenden Grunds rechtzeitig vor Ablauf der Frist schriftlich mitteilen. Dabei kann die Pflegekasse nicht Gründe anführen, die in ihrem Verantwortungsbereich liegen wie beispielsweise Organisationsmängel oder Arbeitsüberlastung von Mitarbeitern. Bei nicht rechtzeitiger Leistungsentscheidung innerhalb der jeweiligen Fristen und fehlender Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die Verzögerung durch die Pflegekasse gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Genehmigungsfiktion). Für Pflegehilfsmittel erfolgt die Genehmigung im Rahmen des Sachbzw. Dienstleistungsanspruchs. Bei wohnumfeldverbessernden Maßnahmen gilt der Zuschuss von bis zu 4.000,00 EUR als genehmigt.
Bei der Vorschrift in § 40 Abs. 7 Satz 2 SGB XI handelt es sich folglich um eine Regelung, die eine Sanktionsmöglichkeit der Pflegebedürftigen gegen die Pflegekassen darstellt, die nicht in einem vom Gesetzgeber als angemessen erwogenen Zeitraum über den Leistungsantrag entscheiden oder die Pflegebedürftigen nicht, nicht rechtzeitig oder unzureichend über die Hinderungsgründe der Leistungsentscheidung informiert haben.
Für die Anwendung des § 40 Abs. 7 SGB XI bedarf es nach Satz 1 zunächst eines Leistungsantrags der Pflegebedürftigen an ihre Pflegekasse. Antragsberechtigt ist der Versicherte bzw. ein von ihm Bevollmächtigter, sein Betreuer oder gesetzlicher Vertreter. Als Antrag gilt auch die der Pflegekasse mit Einwilligung des Versicherten zugehende Information von Dritten nach § 7 Abs. 2 SGB XI (vgl. § 20 SGB X), sofern der Versicherte später nichts Gegenteiliges erklärt (vgl. Erläuterungen zu § 33 SGB XI). Versichertenseitige Kontaktaufnahmen mit dem Ziel, sich gemäß § 14 SGB I zunächst über Rechte und Pflichten nach dem SGB XI (z. B. über Pflegehilfsmittel und Zuschüssen zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen) von der Pflegekasse beraten zu lassen, sind nicht als Antrag zu werten. Allerdings kann sich aus einer Beratung ergeben, dass die Leistungsberechtigten einen Antrag stellen.
Die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I, wonach in Fällen, in denen die Sozialleistung von einem Antrag abhängig ist, ein Antrag auch zu dem Zeitpunkt als gestellt gilt, in dem er bei einer unzuständigen Stelle eingegangen ist, findet in Bezug auf den Beginn der Fristen nach § 40 Abs. 6 SGB XI keine Anwendung, da es im Rahmen dieser Vorschrift um den Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse und deren Fristenregime geht.
Wird ein Antrag auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen oder Pflegehilfsmittel gestellt, ohne dass eine Pflegebedürftigkeit bereits festgestellt wurde, ist wie folgt vorzugehen:
Hält die Pflegekasse die Stellungnahme einer Pflegefachkraft oder eine gutachtliche Stellungnahme des MD für erforderlich, hat sie diese unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) – einzuholen und informiert den Pflegebedürftigen, damit dieser rechtzeitig weiß, welche Frist für ihn gilt. Für die Unterrichtung des Versicherten ist keine bestimmte Form vorgesehen. Die Unterrichtung kann daher auch mündlich erfolgen. Zu empfehlen ist jedoch auch in diesen Fällen allein aus Gründen der Nachweisbarkeit eine Mitteilung in schriftlicher Form, um zu vermeiden, dass die beantragte Leistung als genehmigt gilt.
Die Pflegefachkraft oder der MD sollten im Hinblick auf die für die Pflegekasse bestehende Verpflichtung zur zügigen Leistungsentscheidung in Analogie zum Verfahren nach § 13 Abs. 3a SGB V innerhalb von drei Wochen eine Stellungnahme zum Leistungsantrag abgeben, so dass der Pflegekasse noch ausreichend Zeit für die Bewertung und Entscheidung verbleibt. Die Pflegefachkraft bzw. der MD sind unter Angabe der Frist unverzüglich zu beauftragen.
Kann die Pflegekasse nicht innerhalb der jeweils maßgebenden Frist von drei bzw. fünf Wochen nach Antragseingang eine Leistungsentscheidung treffen, muss die Pflegekasse dies den Pflegebedürftigen unter Darlegung der Gründe innerhalb der Frist schriftlich mitteilen. Die angeordnete Schriftform kann jedoch durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn der Versicherte für die Übermittlung elektronischer Dokumente einen Zugang eröffnet hat (vgl. § 36a Absatz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB I). Dazu muss er neben der Mitteilung der E-MailAdresse seine Bereitschaft zum Empfang von rechtlich verbindlichen Erklärungen gegenüber der Pflegekasse ausdrücklich erklärt haben. Zudem ist das von der Pflegekasse zu übermittelnde elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen (vgl. § 36a Abs. 2 Satz 2 SGB I), so dass eine einfache E-Mail nicht ausreichend ist. Denkbar ist auch eine Informationsübermittlung per Telefax.
Rechtzeitig liegt die Information vor, wenn sie den Pflegebedürftigen spätestens am letzten Tag der jeweils maßgebenden Frist zugegangen ist. Für die fristgerechte Mitteilung eines hinreichenden Grundes ist der Zeitpunkt der Bekanntgabe – wie im Falle der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - gegenüber den Antragstellenden und nicht der der pflegekasseninternen Entscheidung über die Information maßgeblich.
Das Gesetz definiert den Begriff des „hinreichenden Grundes“ nicht näher. Damit die Pflegekasse ihrer Pflicht zur zügigen Leistungsentscheidung nachkommen können, sind umgekehrt Pflegebedüftige oder Dritte (z. B. Leistungserbringer) zur Mitwirkung angehalten. Hinreichende Gründe für eine verzögerte Leistungsentscheidung können danach insbesondere sein,
Um hinreichende Gründe für eine Überschreitung der jeweils maßgeblichen Frist handelt es sich dann, wenn die für eine Leistungsentscheidung notwendigen Informationen/Tatsachen nicht so rechtzeitig vorliegen oder gewonnen werden (können), dass die Pflegekasse eine Leistungsentscheidung noch bis zum Ablauf der jeweils maßgeblichen Frist – ggf. unter Berücksichtigung der Beteiligung einer Pflegefachkraft oder des MD – treffen und den Leistungsberechtigten zugehen lassen kann. Damit ist nicht bereits jede Anforderung von Angaben oder Unterlagen gegenüber den Leistungsberechtigten oder Dritten ein hinreichender Grund. Hat die Pflegekasse eine Pflegefachkraft oder den MD beauftragt, eine Stellungnahme zu dem jeweiligen Leistungsantrag zu erstellen und können die Pflegefachkraft oder. der Gutachter des MD auf Grund fehlender oder mangelhafter Mitwirkung der Leistungsberechtigten oder von Dritten die Stellungnahme nicht so rechtzeitig erstellen, dass die Pflegekasse noch innerhalb der Frist von fünf Wochen eine Leistungsentscheidung treffen und den Leistungsberechtigten zugehen lassen kann, haben die Pflegefachkraft bzw. die Gutachterinnen bzw. Gutachter die Pflegekasse hierüber unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) zu informieren. Damit kann die Pflegekasse die Leistungsberechtigten rechtzeitig über den hinreichenden Grund für eine verzögerte Leistungsentscheidung schriftlich informieren.
Gründe, die hingegen in den Verantwortungsbereich der Pflegekasse fallen wie z. B. Organisationsmängel oder Arbeitsüberlastung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sind nicht hinreichend. Dies gilt gleichermaßen für Gründe, die in den Verantwortungsbereich der Pflegefachkraft oder des MD bzw. der Gutachterin oder des Gutachters fallen. Daher müssen sowohl Pflegekassen als auch die jeweilige Pflegefachkraft oder der jeweilige MD bzw. die Gutachterin oder der Gutachter alle in ihren jeweiligen Verantwortungsbereich fallenden Maßnahmen ergreifen, damit eine Leistungsentscheidung zügig, spätestens jedoch innerhalb der Frist von drei bzw. 5 Wochen erfolgen kann. Die Pflegekassen haben daher unter Berücksichtigung der sehr engen Fristen unverzüglich
Unvorhersehbare Ereignisse, wie z. B. das Auftreten einer Epidemie bzw. Pandemie (z. B. Coronavirus/COVID-19) können unter Umständen einen hinreichenden Grund gemäß § 40 Abs. 7 Satz 2 SGB XI darstellen, da diese nicht dem Verantwortungsbereich der Pflegekasse zugerechnet werden können. Ein hinreichender Grund kann allerdings in diesem Kontext erst dann angenommen werden, wenn die Pflegekasse alle erdenklichen organisatorischen, personellen und technischen Maßnahmen ergriffen haben, um eine zeitnahe Leistungsentscheidung über die von der Genehmigungspflicht umfassten Leistungen für die Versicherten sicherzustellen. Zu diesen Maßnahmen können neben einer Nutzung der vorhandenen Digitalisierungsverfahren, insbesondere auch innerbetriebliche organisatorische Maßnahmen wie z. B. die Arbeitsverlagerung an andere Standorte oder die Einbeziehung fachfremder Arbeitsbereiche gehören. Sollten auch die Pflegefachkraft oder der MD – trotz aller ergriffen Maßnahmen - aufgrund einer Epidemie bzw. Pandemie nicht mehr in ausreichendem Maße handlungsfähig sein, kann auch dies einen hinreichenden Grund im Sinne des § 40 Abs. 7 Satz 2 SGB XI darstellen.
Damit die Leistungsberechtigten problemlos und eindeutig erkennen können, wann die Fiktion der Genehmigung eintritt, ist es notwendig, dass die Pflegekasse eine taggenaue Verlängerung der Frist vornimmt. Die Pflegekasse kann hierfür den konkreten Verlängerungszeitraum angeben, so dass das Ende der Fristverlängerung von den Antragstellenden selbst berechnet werden kann (z. B. „in zwei Wochen“ oder „in 14 Tagen“) oder sie bestimmt das Fristende kalendarisch (z. B. „bis zum TT.MM.JJJJ“). Die Pflegekasse sollte sich bei der Festlegung der taggenau anzugebenen Dauer des Bestehens eines hinreichenden Grundes an den Zeiträumen orientieren, die
Im Falle des Vorliegens eines hinreichenden Grundes wegen des Eintretens unvorhersehbarer Ereignisse sollte sich die Bestimmung des Zeitraumes an Erfahrungswerten bzw. an dann aktuellen Rahmenbedingungen orientieren.
Die Mitteilung über die Fristverlängerung hat schriftlich zu erfolgen, eine (fern-) mündliche Information ist nicht ausreichend. Zu favorisieren ist die schriftliche Mitteilung in Form eines kalendarischen Endes der verlängerten Frist, da dies zum einen eine eindeutige und verbindliche Information für die Pflegebedürftigen darstellt und zum anderen der Pflegekasse die weitere Bearbeitung des Leistungsantrages erleichtert, da der weitere Bearbeitungsprozess an einem eindeutigen „Wiedervorlage-Datum“ ausgerichtet werden kann.
Stellt sich im weiteren Verlauf heraus, dass die erste sachlich gerechtfertigte Frist nicht ausreicht und sich somit als zu kurz erweist, kann die Pflegekasse fristgerecht zur Vermeidung der Genehmigungsfiktion dem Pflegebedürftigen die hinreichenden Gründe erneut mit einer taggenauen Prognose schriftlich mitteilen. Bei sachlich gerechtfertigter Notwendigkeit kann sich dieser Prozess ggf. mehrfach wiederholen.
Fällt der hinreichende Grund bereits eher - als prognostiziert - weg, führt dies nicht zu einer entsprechenden Fristverkürzung, da andernfalls die Pflegekasse die auf Grundlage einer Prognose festgelegte (verlängerte) Frist wieder berichtigen und die Versicherten/Bevollmächtigten erneut informieren müsste.
Für die Berechnung der Fristen gelten die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend (vgl. § 37 Satz 1 SGB I i. V. m. § 26 Abs. 1 SGB X). Da der Eingang des Antrags ein Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB darstellt, beginnt die Frist mit dem Tag, der auf den Tag des Antragseingangs folgt, und endet mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis fällt (vgl. §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB). Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages (vgl. § 26 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 SGB X).
Regelungen zur Unterbrechung der Frist, zur Hemmung oder zum Neubeginn der Frist sind sowohl in der allgemeinen Vorschrift des § 40 Abs. 6 SGB XI als auch in § 26 SGB X nicht vorgesehen und auch nicht nach den Vorschriften im BGB zur Verjährung (vgl. §§ 203 bis 213 BGB) zur Anwendung gelangen. Die Frist beginnt damit am Tag nach Zugang des Antrags und läuft ohne Unterbrechung oder Hemmung nach drei bzw. fünf Wochen ab.
Beispiel 1 - Entscheidungsfristen der Pflegekasse |
|
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse |
am 06.03. (Dienstag/Ereignistag) |
Ergebnis: Fristbeginn Fristende bei einer Frist von drei Wochen fünf Wochen |
am 07.03. (Mittwoch) am 27.03. (Dienstag) am 10.04. (Dienstag) |
Die Leistungsentscheidung der Pflegekasse oder ein hinreichender Grund für die Verzögerung muss der oder dem Versicherten somit spätestens bis zum jeweils maßgeblichen Fristende zugegangen sein. |
Beispiel 2 - Beginn der Entscheidungsfristen der Pflegekasse |
|
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse (Briefkasten) |
am 11.03. (Sonntag) |
Gilt als zugegangen |
am 12.03. (Montag/Ereignistag) |
Ergebnis: Fristbeginn Fristende bei einer Frist von drei Wochen fünf Wochen |
am 13.03. (Dienstag) am 02.04 (Montag) am 16.04. (Montag) |
Die Leistungsentscheidung der Pflegekasse oder ein hinreichender Grund für die Verzögerung muss der oder dem Versicherten somit spätestens bis zum jeweils maßgeblichen Fristende zugegangen sein |
Beispiel 3 - Entscheidungsfristen der Pflegekasse mit Fristverlängerung wegen Wochenend-/Feiertagsregelung |
|
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse |
am 09.03. (Freitag) |
Der 30.03. ist Karfreitag, der 31.03. ist ein Samstag, der 01.04. ist ein Sonntag (Ostersonntag) und der 02.04. fällt auf einen Montag (Ostermontag). |
|
Ergebnis: Fristbeginn Fristende bei einer Frist von drei Wochen fünf Wochen |
am 10.03. (Samstag) am 30.03. (Freitag) am 13.04. (Freitag) |
Da das Ende der Drei-Wochen-Frist auf einen Feiertag fällt, verlängert sich die Frist gemäß § 193 BGB auf den nächstfolgenden Werktag. Das Fristende fällt somit bei einer Frist von drei Wochen auf den 03.04. (Dienstag) Der 31.03. ist ein Samstag, der 01. und 02.04. sind Feiertage. Das Fristende fällt somit bei einer Frist von fünf Wochen auf den 13.04. (Freitag) |
Beispiel 4 - Fristen bei Beteiligungen von Pflegefachkraft oder Medizinischer Dienst |
|
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse |
am 02.03. (Freitag) |
Auftragseingang beim MD |
am 07.03. (Mittwoch/Ereignistag) |
Ergebnis: Fristbeginn Fristende bei einer Frist von drei Wochen fünf Wochen |
am 03.03. (Samstag) am 23.03. (Freitag) am 06.04. (Freitag) |
Die Leistungsentscheidung der Pflegekasse oder ein hinreichender Grund für die Verzögerung muss den Leistungsberechtigten somit spätestens bis zum jeweils maßgeblichen Fristende zugegangen sein. Die Frist für die Stellungnahme der Pflegefachkraft oder des Medizinischen Dienstes beginnt am 08.03. (Donnerstag), also am Tag nach dem Eingang des Auftrags bei der Pflegefachkraft oder beim Medizinischen Dienst und endet am Mittwoch, dem 28.03. bei einer Frist von drei Wochen, Die gutachtliche Stellungnahme muss spätestens bis zum 28.03. bei einer Frist von drei Wochen bei der Pflegekasse eingegangen sein. Die Leistungsentscheidung der Pflegekasse oder ein hinreichender Grund für die Verzögerung muss der oder dem Leistungsberechtigten spätestens am 06.04. (Freitag) innerhalb der 5-Wochen-Frist, vorliegen. |
Beispiel 5 – Taggenaue Prognose (Fortsetzung von Beispiel 4) |
|
Auftragseingang bei der Pflegefachkraft/MD |
am 07.03. (Mittwoch/Ereignistag) |
Fristbeginn |
am 08.03. (Donnerstag) |
Fristende bei einer Frist von drei Wochen |
am 28.03. (Mittwoch) |
Die Pflegefachkraft oder der MD teilen der Pflegekasse am 13.03. (Dienstag) mit, dass weitere Unterlagen von der Behandlerin oder vom Behandler anzufordern sind (hinreichender Grund). Die Pflegekasse fordert diese am 15.03. (Donnerstag) an und teilt der Versicherten oder dem Versicherten dies am selben Tag mit. Sie stellt unter der Annahme, dass die Unterlagen bis zum 02.04. bei der Pflegefachkraft oder dem MD eingehen, die taggenaue Prognose, dass mit einer Entscheidung zu rechnen ist bis zum 15.04. (Dienstag). |
|
Ergebnis: Die Pflegekasse hat die oder den Versicherten über die Leistungsentscheidung bis zum 15.04. zu informieren. Sollten die angeforderten Unterlagen nicht oder später als angenommen bei der Pflegefachkraft oder dem MD eingehen und ist mit einer fristgemäßen Entscheidung nicht mehr zu rechnen, so hat die Pflegekasse der oder dem Versicherten vor dem Ende der ersten Prognose (15.04.) rechtzeitig über den fortbestehenden hinreichenden Grund zu informieren und eine erneute taggenaue Prognose mitzuteilen. |
Voraussetzungen für das Eintreten der Genehmigungsfiktion sind nach § 40 Abs. 7 Satz 4 SGB XI und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 27.08.2019, B 1 KR 1/19 R zur analogen Regelung in § 13 Abs. 3a SGB V)
1. ein hinreichend bestimmter Antrag der Versicherten, der auf eine grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 40 Abs. 7 SGB XI fallende Leistung gerichtet ist, die diese subjektiv für erforderlich halten durften und nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Pflegeversicherung liegt, sowie
2. das Versäumnis der Pflegekasse, rechtzeitig innerhalb der maßgeblichen Fristen eine Leistungsentscheidung zu treffen, ohne die Antragstellenden hierfür jeweils vor Fristablauf einen hinreichenden Grund und eine taggenau bestimmte Fristverlängerung schriftlich mitzuteilen.
Sind die genannten Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion erfüllt, gilt die beantragte Leistung als genehmigt (vgl. § 40 Abs. 7, Satz 4 SGB XI).
Ist die beantragte Leistung grundsätzlich vom Leistungskatalog der sozialen Pflegeversicherung umfasst, erwächst den Pflegebedürftigen aus der fingierten Genehmigung ein eigenständig durchsetzbarer Anspruch gegen die Pflegekasse auf eine Versorgung mit der Leistung als Sach- oder Dienstleistung (Naturalleistungsanspruch) oder im Fall des Zuschusses zu Maßnahmen der Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes, sofern sie die Leistung für erforderlich halten durften und deren Inanspruchnahme nicht als rechtsmißbräuchlich anzusehen war.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG zur Genehmigungsfiktion nach dem Recht der Krankenversicherung, hat die Genehmigungsfiktion nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes (vgl. BSG vom 26.05.2020, B 1 KR 9/18 R und vom 18.06.2020, B 3 KR 14/18 R). Daraus wird abgeleitet, dass mit dem Eintritt der Genehmigungsfiktion das dadurch in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren nicht abgeschlossen wird. Die Pflegekasse ist somit weiterhin berechtigt und verpflichtet, über den Leistungsantrag zu entscheiden und damit das laufende Verwaltungsverfahren abzuschließen.