(1) Das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist in den Begutachtungs-Richtlinien (vgl. §§ 17, 53a Satz 1 Nr. 2 SGB XI) verbindlich geregelt. Die Entscheidung über das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung in einen Pflegegrad ist von der Pflegekasse unter maßgeblicher Berücksichtigung des Gutachtens des MD oder des von ihr beauftragten Gutachters zu treffen und ihr obliegt auch die Entscheidung über die zu erbringenden Leistungen nach dem SGB XI.
Die Pflegekasse hat – trotz evtl. vorliegender eindeutiger Aussagen – bei Eingang des Leistungsantrags des Versicherten eine Prüfung durch den MD oder durch einen von ihr beauftragten Gutachter zu veranlassen. Ausnahmsweise kann die Einschaltung des MD oder des von der Pflegekasse beauftragten Gutachters unterbleiben, wenn die Anspruchsvoraussetzungen auch ohne eine Begutachtung von vornherein verneint werden können.
(2) Als Leistungsantrag ist die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit oder die Notwendigkeit bestimmter Leistungen nicht erforderlich. Häufig wird aus den Unterlagen der Krankenkasse ersichtlich sein, dass eine Pflegebedürftigkeit oder die Notwendigkeit zur Erbringung bestimmter diesbezüglicher Leistungen besteht. Ggf. wird die Pflegekasse auf Initiative der Krankenkasse (§ 7 Abs. 2 SGB XI) tätig. Ausreichend ist auch die mit Einwilligung des Versicherten erfolgte Unterrichtung der Pflegekasse durch Dritte (§ 7 Abs. 2 SGB XI, §§ 20, 21 SGB X). Die Pflegekasse bittet den Versicherten bzw. den Bevollmächtigten oder Betreuer oder gesetzlichen Vertreter, dem MD oder dem von ihr beauftragten Gutachter eine Einwilligung zur Einholung von Auskünften bei seinen behandelnden Ärzten und ihn betreuenden Pflegekräften zu erteilen, sofern dies nicht bereits im Rahmen der Antragstellung (vgl. § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I) erfolgt ist und klärt ihn über die Mitwirkungspflichten auf.
(3) In den Begutachtungs-Richtlinien werden die Begutachtungskriterien erläutert. Die Richtlinien sind für die Pflegekassen und den MD sowie die von den Pflegekassen beauftragten Gutachter verbindlich.
(4) Der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter soll die behandelnden Ärzte des Versicherten, insbesondere die Hausärzte, in die Begutachtung einbeziehen und ärztliche Auskünfte und Unterlagen über die für die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit wichtigen Vorerkrankungen sowie Art, Umfang und Dauer der Hilfebedürftigkeit einholen. Hierzu wurden auf regionaler Ebene zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und dem MD Vereinbarungen über ärztliche Informationen zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit geschlossen. Darüber hinaus hat der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter mit Einverständnis des Versicherten auch dessen pflegende Angehörige, Lebenspartner und sonstige an der Pflege beteiligte Personen oder Dienste in die Begutachtung mit einzubeziehen und zu befragen.
Bei zwischenzeitlich eingetretenem Tod des Antragstellers ist das laufende Antrags- und Begutachtungsverfahren fortzuführen. Aufgrund der geschlossenen Vereinbarungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den MD nach § 18 Abs. 4 SGB XI sind Arztanfragen für zwischenzeitlich verstorbene Antragsteller vorgesehen, so dass bei diesen Fallgestaltungen eine Begutachtung nach Aktenlage durch den MD realisierbar ist.
(1) Die Prüfung der Pflegebedürftigkeit ist ein komplexer Begutachtungsvorgang, der aus einer zielorientierten Untersuchung besteht. Der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter hat den Versicherten im Wohnbereich zu untersuchen. Durch die Untersuchung soll die Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Antragstellers in den in § 14 Abs. 2 SGB XI genannten Bereichen sowie die voraussichtliche Dauer der Pflegebedürftigkeit ermittelt werden. Für besondere Fallgestaltungen, in denen Leistungsentscheidungen zur Sicherstellung der Weiterversorgung kurzfristig erforderlich sind, ist die Begutachtung auch in der Einrichtung, in der sich der Versicherte im Zeitpunkt der Antragsstellung befindet, durchzuführen. Mit der Einwilligung des Versicherten schließt die Begutachtung in Einrichtungen im Einzelfall auch die Begutachtung der häuslichen Situation mit ein, um ein möglichst reibungsloses Anlaufen der Leistungen der Pflegekasse (z. B. Kurzzeitpflege im direkten Anschluss an die stationäre Krankenhausbehandlung) zu gewährleisten. Bei Versicherten, die Leistungen der vollstationären Pflege beantragt haben und deren Wohnung bereits aufgelöst ist, erfolgt die Begutachtung im stationären Bereich.
(2) Steht das Ergebnis der Begutachtung aufgrund eindeutiger Aktenlage bereits fest, kann die Begutachtung im Wohnbereich des Versicherten ausnahmsweise unterbleiben. Das Gutachten nach Aktenlage hat nach den Bestimmungen der Begutachtungsrichtlinien zu erfolgen. Erforderliche andere Feststellungen (z. B. zur pflegerischen Versorgung, Versorgung mit Pflegehilfsmitteln oder zur Verbesserung des Wohnumfeldes) können dennoch einen Hausbesuch erfordern.
(3) Lässt der Versicherte sich nicht in seiner häuslichen Umgebung begutachten, kann die Pflegekasse die beantragten Leistungen verweigern (§§ 62, 66 SGB I gelten). Lebt der Versicherte in der Wohnung eines Dritten (z. B. eines Angehörigen) gilt dies ebenfalls, und zwar selbst dann, wenn nur der Wohnungsinhaber die Begutachtung in der Wohnung verhindert. Verweigert ein bereits anerkannter Pflegebedürftiger eine Begutachtung, die für die Feststellung eines höheren Pflegegrades erforderlich ist, führt die Verweigerung nicht zum Wegfall der Leistungen des niedrigeren, bereits anerkannten Pflegegrades, es sei denn, am Fortbestehen dieses Pflegegrades bestehen Zweifel.
(4) Der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter teilt der Pflegekasse das Ergebnis seiner Prüfung in dem verbindlichen Formulargutachten (vgl. Punkt 6.2 "Formulargutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit " der Begutachtungs-Richtlinien) unverzüglich mit. In dem Gutachten ist differenziert unter anderem zu folgenden Sachverhalten Stellung zu nehmen:
Des Weiteren hat der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter, soweit erforderlich, über die derzeitige Versorgungssituation hinausgehend in einem Empfehlungsteil (individueller Pflegeplan) Aussagen
zu machen.
Die Stellungnahme des MD oder des von der Pflegekasse beauftragten Gutachters hat sich auch darauf zu erstrecken, ob die Pflege in geeigneter Weise sichergestellt ist.
Im Weiteren hat der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter den Antragsteller in der Begutachtung auf die maßgebliche Bedeutung des Gutachtens insbesondere für eine umfassende Beratung, das Erstellen eines individuellen Versorgungsplans nach § 7a SGB XI, das Versorgungsmanagement nach § 11 Abs. 4 SGB V und für die Pflegeplanung hinzuweisen. Aufgrund der besonderen Bedeutung ist das Gutachten daher dem Antragsteller grundsätzlich mit der Zusendung des Bescheids der Pflegekasse zu übersenden. Dies darf jedoch nicht gegen den Wunsch des Antragstellers erfolgen, so dass der Antragsteller in der Begutachtung vom MD oder dem von der Pflegekasse beauftragten Gutachter auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen ist. Dies umfasst auch den Hinweis auf eine Übersendung des Gutachtens zu einem späteren Zeitpunkt. In dem Formulargutachten ist zu erfassen, ob der Antragsteller der Übersendung widerspricht.
Sofern der Träger der Sozialhilfe zur Prüfung der Leistungspflicht nach § 61 SGB XII das Gutachten des MD oder des von der Pflegekasse beauftragten Gutachters benötigt, kann die Pflegekasse dieses zur Verfügung stellen, wenn der Versicherte von der Pflegekasse in allgemeiner Form schriftlich auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wurde und nicht widersprochen hat (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 SGB X).
(1) Die Begutachtung durch den MD oder den von der Pflegekasse beauftragten Gutachter ist in angemessenen Zeitabständen auf der Grundlage der Empfehlung des MD oder des von der Pflegekasse beauftragten Gutachters zu wiederholen, sofern der Pflegekasse nicht vorher eine wesentliche Veränderung der Ausgangssituation (z. B. Verschlimmerung) bekannt wird. In diesen Fällen stellt die Pflegekasse dem MD oder dem von der Pflegekasse beauftragtem Gutachter die relevanten Unterlagen zur Verfügung. Ein Wechsel zwischen häuslicher und vollstationärer Pflege stellt keine wesentliche Veränderung der Ausgangssituation dar. Die Angemessenheit der Zeitabstände richtet sich insbesondere nach dem vom MD oder dem von der Pflegekasse beauftragten Gutachter ermittelten Befund und nach der über die weitere Entwicklung der Pflegebedürftigkeit abgegebenen Prognose. Wiederholungsbegutachtungen dienen insbesondere der Prüfung, ob
Dabei sind die Intervalle für Wiederholungsbegutachtungen im Einzelfall festzulegen (vgl. Ziffer 9 des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit).
In der Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.12.2016 werden grundsätzlich keine Wiederholungsbegutachtungen durchgeführt, außer wenn eine Verringerung des Hilfebedarfs insbesondere aufgrund von durchgeführten Operationen oder Rehabilitationsmaßnahmen zu erwarten war. Dies gilt auch dann, wenn der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter eine Wiederholungsbegutachtung in diesem Zeitraum empfohlen hatte (vgl. § 18 Abs. 2a SGB XI). Dies gilt im Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 01.01.2019 gleichermaßen für Pflegebedürftige, die nach § 140 SGB XI in einen Pflegegrad übergeleitet wurden (vgl. § 142 Abs. 1 SGB XI).
(2) Beantragt der Pflegebedürftige eine Höherstufung, entspricht das Verfahren dem bei einem Neuantrag. Die Pflegekasse stellt hierfür dem MD oder dem von der Pflegekasse beauftragten Gutachter die relevanten Unterlagen für die Durchführung der Begutachtung zur Verfügung.
(3) Soweit die Pflegekasse – z. B. aufgrund des Beratungseinsatzes nach § 37 Abs. 3 SGB XI – Hinweise erhält, dass die häusliche Pflege nicht mehr in geeigneter Weise sichergestellt ist, kommt eine erneute Begutachtung durch den MD oder den von der Pflegekasse beauftragten Gutachter in Betracht.
Die Pflegekasse hat dem Antragsteller im Regelfall innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Antragseingang die Entscheidung über seinen Antrag mitzuteilen. Für besondere Fallgestaltungen, in denen Leistungsentscheidungen kurzfristig erforderlich sind, um die Weiterversorgung zu organisieren oder ergänzende Ansprüche realisieren zu können, sieht die gesetzliche Regelung explizite Fristen für die Begutachtung des MD oder des von der Pflegekasse beauftragten Gutachters vor. So ist die Begutachtung durch den MD oder des von der Pflegekasse beauftragten Gutachters in der Einrichtung unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen, wenn
Diese Frist kann in regionalen Vereinbarungen verkürzt werden. Befindet sich der Versicherte in einem Hospiz oder wird ambulant palliativ versorgt, gilt ebenfalls die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche. Darüber hinaus gilt für Antragsteller, die im häuslichen Bereich gepflegt werden, ohne palliativ versorgt zu werden, eine Begutachtungsfrist von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse, wenn gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz angekündigt wurde oder mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit nach § 2 Abs. 1 Familienpflegezeitgesetz vereinbart wurde. In diesen Fällen ist es umso wichtiger, dass die Pflegekasse dem MD oder dem von ihr beauftragten Gutachter bei Eingang des Antrags oder aufgrund anderer vorliegender Hinweise die relevanten Unterlagen für die Durchführung der Begutachtung unverzüglich, z. B. per Fax, zur Verfügung stellt.
Die Frist zur Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der Pflegekasse nach § 18 Abs. 3 SGB XI beginnt mit dem Tag nach Eingang des Antrags. Die Anträge auf Leistungen der Pflegeversicherung sind bei der Pflegekasse zu stellen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 3 SGB XI). Antragsberechtigt ist der Versicherte bzw. ein von ihm Bevollmächtigter, sein Betreuer oder gesetzlicher Vertreter (vgl. Ziffer 1 zu § 33 SGB XI).
Bei der Frist handelt es sich um eine Bearbeitungsfrist, innerhalb derer der Entscheidungsprozess abzuschließen ist. Nicht einzurechnen ist die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes. Maßgebend für das Ende der Frist ist also das Bescheiddatum.
Die Frist endet nach einer oder zwei Wochen bzw. 25 Arbeitstagen. Fällt der Tag des Fristablaufs bei der 1- oder 2-Wochen-Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, läuft die Frist am darauf folgenden Werktag ab.
Beispiel 1 Der Versicherte befindet sich im Krankenhaus und die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG wurde gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson angekündigt. Daher gilt die 1-Wochen-Frist. |
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Eingang des Antrags bei Pflegekasse |
am 26.04. |
Fristbeginn |
am 27.04. |
Fristende |
am 03.05. |
Ergebnis: |
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Aufgrund des Aufenthaltes im Krankenhaus und der Ankündigung der Inanspruchnahme von Pflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche. Die Frist beginnt einen Tag nach Eingang des Antrags des Versicherten am 27.04. und endet am 03.05. Da es sich hier um eine Wochenfrist handelt, sind Feiertage (01.05.) für die Fristberechnung unerheblich. |
Beispiel 2 Der Versicherte befindet sich in seinem häuslichen Umfeld ohne palliativ versorgt zu werden und die Inanspruchnahme von Familienpflegezeit nach dem FPfZG wurde gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson angekündigt. Es gilt daher die 2-Wochen-Frist. |
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Eingang des Antrags bei Pflegekasse |
am 19.09. |
Fristbeginn |
am 20.09. |
Fristende |
am 04.10. |
Ergebnis: |
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Aufgrund des Aufenthalts des Versicherten in seinem häuslichen Umfeld ohne palliativ versorgt zu werden und der Ankündigung der Inanspruchnahme von Familienpflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von zwei Wochen. Die Frist beginnt einen Tag nach Eingang des Antrags des Versicherten am 20.09. und würde demnach am 03.10. enden. Da es sich hierbei um einen gesetzlichen Feiertag handelt, läuft die Frist am darauf folgenden Werktag den 04.10. ab. |
Beispiel 3 Es gilt die 25-Arbeitstage-Frist |
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Eingang des Antrags bei Pflegekasse |
am 03.01. |
Fristbeginn |
am 04.01. |
Fristende |
am 07.02. |
Ergebnis: |
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Die Frist beginnt am 04.01., also am Tag nach Eingang des Antrages des Versicherten bei seiner Pflegekasse, und endet am Mittwoch, den 07.02. |
(1) Die Pflegekasse ist zur unverzüglichen Zahlung von 70,00 EUR für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung an den Antragsteller verpflichtet, sofern sie den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags erteilt oder eine der in § 18 Abs. 3 SGB XI genannten verkürzten Begutachtungsfristen (eine bzw. zwei Wochen) nicht eingehalten hat. Die Zahlungspflicht gilt nicht für Wiederholungs- oder Widerspruchsgutachten und befristete Leistungsbewilligungen oder wenn sich der Antragsteller in stationärer Pflege befindet und bereits eine mindestens erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten (mindestens Pflegegrad 2) festgestellt ist. Die Fristberechnung erfolgt auf der Grundlage des § 26 SGB X i. V. m. den §§ 187 ff BGB.
Beispiel 1 Es gilt die 25-Arbeitstage-Frist |
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Eingang des Antrags bei Pflegekasse |
am 26.03. |
Fristbeginn |
am 27.03. |
Fristende |
am 03.05. |
Bescheiddatum |
am 07.05. |
Ergebnis: |
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Die Pflegekasse hätte den Bescheid über den Antrag des Versicherten bis spätestens zum 03.05. erteilt haben müssen. Da der Bescheid jedoch am 07.05. erteilt wurde, hat die Pflegekasse die 25-Arbeitstage-Frist überschritten. Da sie die Verzögerung zu vertreten hat, ist sie zur Zahlung von 70,00 EUR verpflichtet. |
(2) Die Zahlungspflicht besteht nur gegenüber dem Antragsteller. Antragsteller ist immer der Versicherte, der den Antrag gestellt hat oder für den der Antrag von einem Dritten als Vertreter gestellt wurde. Der Begriff des Antragstellers wird auch an anderer Stelle im XI. Buch des Sozialgesetzbuches - z. B. in § 18 Abs. 2 Satz 1 SGB XI - synonym für die Versicherten verwendet, die den Anspruch geltend machen oder für die er geltend gemacht wurde.
Die Zahlung wegen Fristüberschreitung ist keine „Pflegeleistung“ im Sinne des SGB XI. Heilfürsorge- und Beihilfeberechtigte erhalten daher die Zahlung wegen Fristüberschreitung in voller Höhe. Weil es sich bei der Zusatzzahlung nicht um eine Leistung der Pflegeversicherung nach § 28 SGB XI handelt, kann sie nicht Gegenstand der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I oder der Vererbung nach § 58 SGB I werden.
Die Zahlungspflicht entsteht auch, wenn eine der unter Ziffer 4.1 genannten verkürzten Begutachtungsfristen überschritten wird. Die Pflegekasse hat dem Antragsteller unverzüglich nach Eingang des Gutachtens des MD oder des von ihr beauftragten Gutachters die Entscheidung schriftlich mitzuteilen.
Beispiel 2 Teil 1 Der Versicherte befindet sich im Krankenhaus und die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG wurde gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson angekündigt. |
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Eingang des Antrags bei Pflegekasse |
am 12.11. |
Fristbeginn |
am 13.11. |
Fristende |
am 19.11. |
Begutachtung |
am 22.11. |
Ergebnis: |
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Aufgrund des Aufenthaltes im Krankenhaus und der Ankündigung der Inanspruchnahme von Pflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche. Die Frist beginnt einen Tag nach Eingang des Antrags des Versicherten am 13.11. und endet am 19.11. Die Begutachtung durch den MD erfolgt erst am 22.11. und damit nicht innerhalb der 1-Wochen-Frist. Da die Pflegekasse die Verzögerung zu vertreten hat, ist sie zur Zahlung von 70,00 EUR verpflichtet. |
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Teil 2 Ergebnis: Wie in Teil 1 gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von einer Woche. Der Beginn der Frist zur Begutachtung ist am 13.11., einen Tag nach Antragseingang bei der Pflegekasse. Der Leistungsbescheid wird zwar erst am 26.11.2018 erteilt, da das Gutachten am 22.11. bei der Pflegekasse einging. Die Begutachtung erfolgte jedoch am 16.11. und damit innerhalb der 1-Wochen-Frist. Weil keine Fristüberschreitung vorliegt, besteht keine Zahlungspflicht der Pflegekasse nach § 18 Abs. 3b SGB XI. |
(3) Die Pflegekasse ist verpflichtet, für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung eine Zusatzzahlung zu leisten. Die Verpflichtung zur Leistung der Zusatzzahlung beginnt am Tag nach Ablauf der Fristen nach § 18 Abs. 3 SGB XI. Wenn das Ende der Wochenfrist (der Zeitraum nach Ablauf der 1- oder 2- Wochen-Frist oder 25-Arbeitstage-Frist) auf einen Feiertag fällt, führt es nicht zu einer Fristverlängerung auf den nächsten Werktag.
Beispiel 3 |
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Eingang des Antrags bei Pflegekasse |
am 22.08. |
Fristbeginn |
am 23.08. |
Fristende |
am 26.09. |
Fristbeginn 1. Woche der Fristüberschreitung |
am 27.09. |
Fristende 1. Woche der Fristüberschreitung |
am 03.10. |
Fristbeginn 2. Woche der Fristüberschreitung |
am 04.10. |
Fristende 2. Woche der Fristüberschreitung |
am 10.10. |
Bescheiddatum |
am 08.10. |
Ergebnis: |
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Die Pflegekasse hat den Bescheid nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen erteilt, so dass eine Fristüberschreitung eingetreten ist. Die 1. Woche der Fristüberschreitung endet am 03.10. Zwar handelt es sich beim 03.10.2018 um einen Feiertag, unabhängig davon beginnt die 2. Woche der Fristüberschreitung am 04.10.2018 und endet am 10.10. Die Erteilung des Bescheides erfolgte am 08.10. und damit innerhalb der 2. Woche der Fristüberschreitung. Die Pflegekasse ist zu einer Zahlung von insgesamt 140,00 EUR für zwei Wochen nach Fristüberschreitung verpflichtet. |
(4) Die Zahlungspflicht entfällt, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder wenn sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege befindet und bei ihm mindestens erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten festgestellt (mindestens Pflegegrad 2) wurden. Das Vorliegen eines Verzögerungsgrundes, den die Pflegekasse nicht zu vertreten hat, reicht für das Entfallen der Zahlungspflicht aus. Erhält der MD einen Hinweis, dass der Antragsteller begutachtet werden kann, soll eine zeitnahe Terminierung erfolgen.
Eine Vielzahl von Verzögerungsgründen ist möglich. Damit die Zahlungspflicht entfällt, muss der Verzögerungsgrund nicht von der Pflegekasse zu vertreten sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Pflegekasse die fehlende Mitwirkungspflicht des Versicherten nach § 60 SGB I festgestellt hat. Nach § 60 SGB I ist der Versicherte verpflichtet
Soweit für die Erhebung der in Punkt 1 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.
Zu den notwendigen Angaben für die Leistungsentscheidung gehört u. a. die Mitteilung, welche Leistung beantragt wird. Die Einwilligung des Versicherten zur Auskunftserteilung nach § 18 Abs. 4 SGB XI ist erforderlich, wenn die behandelnden Ärzte, insbesondere die Hausärzte, einbezogen und ärztliche Auskünfte und Unterlagen über die für die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit wichtigen Vorerkrankungen sowie Art, Umfang und Dauer der Hilfebedürftigkeit eingeholt werden sollen. Dabei ist der Versicherte auf den Zweck der vorgesehenen Verarbeitung oder Nutzung sowie auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen (§ 67b Abs. 2 Satz 1 SGB X). Die Einwilligung und der Hinweis bedürfen gem. § 67b Abs. 2 Satz 3 SGB X der Schriftform.
Des Weiteren können Verzögerungsgründe im Rahmen der Pflegebegutachtung auftreten, die die Pflegekasse nicht zu vertreten hat. Dabei können z. B. folgende Verzögerungsgründe auftreten:
vgl. auch Urteil des BSG vom 13.05.2004 / Bindung der
Pflegekasse an die Leistungszusage eines privaten Pflegeversicherungsunternehmens
Innerhalb der sozialen Pflegeversicherung werden für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie für die Zuordnung zu einem Pflegegrad dieselben Maßstäbe angelegt. Bei einem Kassenwechsel innerhalb der sozialen Pflegeversicherung kann grundsätzlich das bestehende Pflegegutachten anerkannt werden. Den Pflegekassen bleibt es unbenommen, die Leistungsvoraussetzungen erneut zu prüfen, wenn sie dies für notwendig halten. Dies gilt nicht für den durch die Überleitung festgestellten Pflegegrad (§ 140 Abs. 3 SGB XI). Der übergeleitete Pflegegrad ist von der aufnehmenden Pflegekasse zu übernehmen.
Nach § 23 Abs. 6 Nr. 1 SGB XI ist das private Krankenversicherungsunternehmen oder ein anderes die Pflegeversicherung betreibendes Versicherungsunternehmen verpflichtet, für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie für die Zuordnung zu einem Pflegegrad dieselben Maßstäbe wie in der sozialen Pflegeversicherung anzulegen. Insofern basiert das von diesen Unternehmen veranlasste bzw. erstellte Gutachten gleichfalls auf den Begutachtungs-Richtlinien.
Mit Blick auf die in der privaten und sozialen Pflegeversicherung gleichen Begutachtungsmaßstäbe dürfte eine Neubegutachtung – bei einem Wechsel von der privaten in die soziale Pflegeversicherung – nicht erforderlich sein. D. h., die vorliegenden Gutachten gelten für beide Versicherungszweige. Sollten bei der sozialen Pflegeversicherung begründete Zweifel an dem vorliegenden Gutachten bestehen, so ist eine erneute Begutachtung einzuleiten.
Die Pflegekasse kann zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit und des Pflegegrades sowohl den MD als auch unabhängige Gutachter beauftragen. Das Nähere zur Beauftragung von unabhängigen Gutachtern, insbesondere zu den Anforderungen an die Qualifikation, deren Unabhängigkeit, das Verfahren und die Qualitätssicherung, sind in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Zusammenarbeit der Pflegekassen mit anderen unabhängigen Gutachtern (Unabhängige Gutachter-Richtlinien – UGu-RiLi) nach § 53b SGB XI verbindlich für die Pflegekassen geregelt.
Ist innerhalb von 20 Arbeitstagen ab Antragstellung keine Begutachtung erfolgt, ist die Pflegekasse verpflichtet, einen unabhängigen Gutachter zu beauftragen. Die vorgenannte Pflicht entfällt, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat. Das Vorliegen eines unter Ziffer 4.3 genannten Verzögerungsgrundes, den die Pflegekasse nicht zu vertreten hat, reicht für das Entfallen der Pflicht zur Beauftragung eines unabhängigen Gutachters.
Bei Beauftragung von unabhängigen Gutachtern hat die Pflegekasse dem Antragsteller mindestens drei Gutachter zur Auswahl zu benennen. Dabei ist die Qualifikation der benannten Gutachter mitzuteilen und auf deren Unabhängigkeit hinzuweisen. Hat sich der Antragsteller für einen der benannten Gutachter entschieden, so hat die Pflegekasse seinem Wunsch Rechnung zu tragen. Teilt der Antragsteller der Pflegekasse seine Entscheidung nicht innerhalb von einer Woche ab Kenntnis der Gutachternamen mit, so kann die Pflegekasse einen der benannten Gutachter beauftragen.
Im Rahmen der Prüfung, ob und inwieweit die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind bzw. welcher Pflegegrad vorliegt, hat der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter u.a. Feststellungen darüber zu treffen, welche Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geeignet, notwendig und zumutbar sind, die zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit beitragen. Diese Feststellungen sind in einer gesonderten Präventions- und Rehabilitationsempfehlung zu dokumentieren. Insoweit haben die Versicherten gegenüber anderen Leistungsträgern als den Pflegekassen, insbesondere gegenüber der Krankenkasse oder dem RV-Träger einen Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (vgl. §§ 31, 32 SGB XI). Bestehende rehabilitative Möglichkeiten sollen genutzt werden, um die Situation des Versicherten zu verbessern (vgl. § 11 Abs. 2 SGB V).
Der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter hat für den häuslichen und stationären Bereich unter Würdigung der Ergebnisse der Pflegebegutachtung Stellung zu nehmen, ob und ggf. welche präventiven Maßnahmen empfohlen werden und welche Ziele damit verknüpft werden. Darüber hinaus sind Aussagen darüber zu treffen, ob in der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der der Pflegebedürftige lebt, ein Beratungsbedarf hinsichtlich primärpräventiver Maßnahmen (Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention nach § 20 Abs. 5 SGB V) besteht.
In dem „Leitfaden Prävention – Handlungsfelder und Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung der §§ 20 und 20a SGB V“ finden sich dazu die entsprechenden Rahmenbedingungen für präventive Angebote. Wird eine Beratung zu Leistungen zur Primärprävention nach § 20 Abs. 5 SGB V empfohlen, kann sich diese ausschließlich auf die Maßnahmen/Kurse zu den Handlungsfeldern Bewegungsförderung/Sturzprävention, Gewichtsreduktion, Beseitigung von Mangel- und Fehlernährung, Verbesserung der psychosozialen Gesundheit und verantwortungsbewusster Umgang mit Sucht-/Genussmittel (u. a. Nikotin, Alkohol) beziehen.
Insoweit haben die Versicherten gegenüber anderen Leistungsträgern als den Pflegekassen, insbesondere gegenüber der Krankenkasse, einen Anspruch auf präventive Maßnahmen.
Der MD oder der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter hat Empfehlungen zur Versorgung mit Hilfs- und Pflegehilfsmitteln abzugeben. Für bestimmte Hilfs- und Pflegehilfsmittel, die den Zielen nach § 40 SGB XI dienen, gelten die Empfehlungen als Antrag des Versicherten auf Leistungen, wenn der Versicherte zustimmt (vgl. Ziffer 1.5 zu § 40 SGB XI).
Zum Zweck der differenzierten und individuellen Versorgungsplanung und zur Gewinnung von Anhaltspunkten für den Leistungsumfang der Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 36 SGB XI werden zusätzlich zu den in § 14 Abs. 2 SGB XI genannten Bereichen die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in den Bereichen der Außerhäuslichen Aktivitäten und Haushaltsführung erfasst. Die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass der Antragsteller die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigen kann, werden bereits in den in § 14 Abs. 2 SGB XI genannten sechs Bereichen erfasst. Damit sind die entsprechenden Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten für die Beurteilung des Grades der Pflegebedürftigkeit relevant, werden aber über andere Bereiche erhoben und gehen nicht in die Ermittlung des Pflegegrades ein. So führt beispielsweise eine Beeinträchtigung der Mobilität in aller Regel auch dazu, dass das selbständige Einkaufen erschwert ist (vgl. Ziffer 3 zu § 14 SGB XI).
Bei ambulant versorgten Pflegebedürftigen, die einen erheblichen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben und die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI und der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 des SGB V beziehen, ist eine Kostenabgrenzung zwischen der Pflegeversicherung und der Krankenversicherung vorzunehmen.
Vor dem Hintergrund, dass die Regelungen der §§ 14, 15 SGB XI keine zeitorientierte und verrichtungsbezogene Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit mehr vorsehen, wird der durch die Pflegeversicherung zu tragende Anteil in den Kostenabgrenzugs-Richtlinien nach § 17 Abs. 1b SGB XI pauschal festgelegt.
Das im Rahmen der Kostenabgrenzungs-Richtlinien beschriebene Pauschalmodell findet erst bei ab dem 01.01.2017 neu beantragten Leistungen der sog. „Intensivpflege“ Anwendung. In den Fällen, in denen bereits vor dem 01.01.2017 eine Kostenabgrenzung auf Grundlage der bis dahin durch den MD erhobenen Zeitwerte für die „reine“ Grundpflege vorgenommen wurde, bleibt es bei der Berücksichtigung der dort festgestellten Minutenwerte. Eine Berücksichtigung der in den Richtlinien geregelten pauschalen Minutenwerte erfolgt nur bei einer Änderung des Pflegegrades aufgrund einer Nachbegutachtung.
Eine Einzelfallprüfung durch den MD ist damit entbehrlich.
Durch das MDK-Reformgesetz wird die Organisation des MD reformiert. In diesem Zusammenhang wird bei jedem MD eine unabhängige Ombudsperson bestellt, an die sich sowohl Beschäftigte des MD bei Beobachtung von Unregelmäßigkeiten, insbesondere Beeinflussungsversuchen durch Dritte, als auch Versicherte bei Beschwerden über die Tätigkeit des MD vertraulich wenden können. Die Pflegekasse hat den Antragsteller auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass er sich bei Beschwerden über die Tätigkeit des MD vertraulich an die Ombudsperson des jeweiligen MD wenden kann, der von der Pflegekasse zur Begutachtung beauftragt wurde.
Für die Organisationsreform der MD ist ein Übergangszeitraum vorgesehen. Die Hinweispflicht auf die Ombudsperson kann daher erst dann erfolgen, wenn bei den jeweiligen MD tatsächlich eine Ombudsperson bestellt wurde. Dies kann von MD zu MD in unterschiedlichen Zeiträumen erfolgen.