Gemeinsames Rundschreiben vom 01.12.2021 zu den leistungsrechtlichen Vorschriften - Stand 01.12.2021

Besitzstandsschutz und Übergangsrecht zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen / § 141 SGB XI

 

1. Allgemeines

Diese Vorschrift regelt den Besitzstandsschutz für regelmäßig wiederkehrende Leistungen der Pflegeversicherung, die den Leistungsberechtigten bis zum Zeitpunkt der Umstellung auf das ab 01.01.2017 geltende Recht zustehen. Damit wird sichergestellt, dass kein Leistungsberechtigter nach der Überleitung in einen Pflegegrad niedrigere Leistungsansprüche hat. Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit und Pflege Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge haben, erhalten den jeweils zustehenden Besitzstandsschutzbetrag zur Hälfte (vgl. § 28 Abs. 2 SGB XI analog i. V. m. § 58 Abs. 7 Bundesbeihilfeverordnung).

Darüber hinaus wird der Besitzstandsschutz zur sozialen Sicherung der Pflegeperson gere-gelt (§ 141 Abs. 4 und 5 SGB XI). Einzelheiten hierzu sind dem Gemeinsamen Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit und dem Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. zur Renten- und Arbeitslosenversicherung der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson vom 13.12.2016 zu entnehmen.

2. Besitzstandsschutz im Bereich der häuslichen Pflege

Der Besitzstandsschutz im Bereich der häuslichen Pflege bezieht sich auf regelmäßig wiederkehrenden Leistungen:

  • Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI
  • Pflegegeld nach § 37 SGB XI
  • Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI
  • zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen nach § 38a SGB XI
  • für den Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs. 2 SGB XI
  • Tages- und Nachtpflege nach § 41 SGB XI
  • zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit nach § 44a Abs. 1 SGB XI (Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung)
  • zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI in Höhe des Grundbetrages von 104,00 EUR (bis zum 31.12.2016 geltende Fassung)
  • verbesserte Pflegeleistungen für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz nach § 123 SGB XI (bis zum 31.12.2016 geltende Fassung)
  • Leistungen der häuslichen Betreuung nach § 124 SGB XI (bis zum 31.12.2016 geltende Fassung).

Der Besitzstandsschutz bezieht sich auf die jeweiligen Leistungshöchstbeträge der oben genannten Leistungen der jeweiligen Pflegestufe zum Umstellungszeitpunkt, unabhängig vom tatsächlichen Leistungsbezug. Kommt es zu einer Leistungsumstellung im häuslichen Bereich, werden ebenfalls die jeweiligen Leistungshöchstbeträge aus 2016 als Vergleichswerte herangezogen.

Die neuen Leistungsbeträge liegen aufgrund der Überleitungsregelungen des § 140 SGB XI über den bisherigen Leistungsbeträgen oder bleiben gleich. Daher findet die Regelung zunächst keine Anwendung.

Beispiel

Pflegegeldbezieher der Pflegestufe II mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz in einer Wohngruppe nach § 38a SGB XI wird übergeleitet in Pflegegrad 4. Er nimmt regelmäßig niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote in Anspruch.

 

Ansprüche

bis Dezember 2016 ab Januar 2017

Pflegegeld

545,00 EUR 728,00 EUR

Wohngruppenzuschlag

205,00 EUR 214,00 EUR

Betreuungs- und Entlastungsleistungen/
Entlastungsbetrag

104,00 EUR 125,00 EUR

 

Ergebnis:

Die Besitzstandsregelung kommt nicht zum Tragen, da die Leistungshöchstbeträge ab 01.01.2017 höher sind.

Für Pflegebedürftige, die nach dem bis zum 31.12.2016 geltenden Recht neben dem Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI ebenfalls Leistungen der Tages- und Nachtpflege nach § 41 SGB XI bezogen haben, gilt der Besitzstandsschutz nach § 141 Abs. 1 SGB XI. In diesen Fällen können die Leistungen der Tages- und Nachtpflege weiterhin in Anspruch genommen werden, ohne dass durch den MDK nachgewiesen wird, dass die Pflege ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist (vgl. Ziffer 2.6 zu § 38a SGB XI).

Bei einmaligen Leistungen, wie z. B. Zuschüssen zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen nach § 40 Abs. 4 SGB XI und Pflegeunterstützungsgeld nach § 44 Abs. 3 SGB XI, bedarf es keines Besitzstandsschutzes, weil hier keine Änderungen in der Leistungshöhe erfolgen. Auch bei der Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI und der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI hat der Besitzstandsschutz keine Bedeutung, weil der jeweilige Leistungsbetrag nicht verändert wird.

Der Besitzstand gilt sowohl in der sozialen als auch in der privaten Pflegeversicherung.

3. Besitzstandsrecht bei Anspruch auf den erhöhten Betrag nach § 45b SGB XI in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung

(1) § 141 Abs. 2 SGB XI regelt den Besitzstandsschutz für Pflegebedürftige, die am 31.12.2016 einen Anspruch auf den erhöhten Betrag nach § 45b SGB XI haben. Sind die dem Pflegebedürftigen zustehenden Leistungsansprüche nach §§ 36, 37 oder § 41 SGB XI ab dem 01.01.2017 nicht um jeweils mindestens 83,00 EUR höher als die am 31.12.2016 bestehenden Ansprüche, erhalten sie Besitzstandsschutz in Form eines Zuschlags auf den Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI in der ab dem 01.01.2017 geltenden Fassung. Die erhöhten Leistungsbeträge nach § 123 SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung sind dabei in die vergleichende Betrachtung mit einzubeziehen.

(2) Die Höhe des Zuschlags errechnet sich aus der Differenz zwischen dem am 31.12 2016 geltenden erhöhten Betrag (208,00 EUR) und dem Entlastungsbetrag nach § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der ab dem 01.01.2017 geltenden Fassung (125,00 EUR). Somit ergibt sich zum 01.01.2017 ein monatlicher Zuschlag in Höhe von 83,00 EUR. Wird der Entlastungsbetrag zukünftig angehoben, sinkt der Zuschlag entsprechend, so dass stets ein Anspruch in Höhe von bis zu 208,00 EUR monatlich für Leistungen nach § 45b SGB XI besteht.

Beispiel 1

Ein Pflegesachleistungsbezieher der Pflegestufe III, bei dem ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand i.S.d. § 36 Abs. 4 SGB XI sowie eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45b Abs. 1 SGB XI vorliegt, wird zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 5 übergeleitet.

 

Höchstleistungsansprüche

bis Dezember 2016 ab Januar 2017

Pflegesachleistung

1.995,00 EUR 1.995,00 EUR

 

Ergebnis:

Die Differenz zwischen den Pflegesachleistungen bis Dezember 2016 und dem Pflegesachleistungsanspruch ab Januar 2017 beträgt 0,00 EUR. Da der Höchstleistungsanspruch ab Januar 2017 nicht um mindestens 83,00 EUR höher ist als der entsprechende Höchstleistungsanspruch in der am 31.12.2016 geltenden Fassung, besteht Anspruch auf einen Zuschlag auf den Entlastungsbetrag im Rahmen des Besitzstandsschutzes nach § 141 Abs. 2 SGB XI in Höhe von 83,00 EUR.

 

Beispiel 2

Ein Pflegesachleistungsbezieher der Pflegestufe III, bei dem ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand i.S.d. § 36 Abs. 4 SGB XI sowie eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45b Abs. 1 SGB XI vorliegt, wird zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 5 übergeleitet. Der Versicherte nimmt ebenfalls Leistungen der Tagespflege nach § 41 SGB XI in Anspruch.

 

Höchstleistungsansprüche

bis Dezember 2016 ab Januar 2017

Pflegesachleistung

1.995,00 EUR 1.995,00 EUR

Tagespflege

1.612,00 EUR 1.995,00 EUR

 

Ergebnis:

Der Leistungsbetrag der Tages- und Nachtpflege nach § 41 SGB XI erhöht sich zum 01.01.2017 um 383,00 EUR. Die Differenz zwischen den Pflegesachleistungen bis Dezember 2016 und dem Pflegesachleistungsanspruch ab Januar 2017 beträgt 0,00 EUR. Da die Höchstleistungsansprüche nach §§ 36 und 41 SGB XI jeweils getrennt voneinander zu vergleichen sind und der Sachleistungsanspruch ab Januar 2017 nicht um mindestens 83,00 EUR höher ist als der entsprechende Höchstleistungsanspruch in der am 31.12.2016 geltenden Fassung, ist ein Zuschlag im Rahmen des Besitzstandsschutzes nach § 141 Abs. 2 SGB I in Höhe von 83,00 EUR auf den Entlastungsbetrag zu gewähren.

 

Beispiel 3

Ein Pflegegeldbezieher der Pflegestufe I mit einer in erhöhtem Maße eingeschränkten Alltagskompetenz wird zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 3 übergeleitet.

 

Höchstleistungsansprüche

bis Dezember 2016 ab Januar 2017

Pflegegeld

316,00 EUR 545,00 EUR

 

Ergebnis:

Die Differenz zwischen dem Pflegegeldanspruch bis Dezember 2016 und dem Pflegegeldanspruch ab Januar 2017 beträgt 229,00 EUR. Da der Höchstleistungsanspruch ab Januar 2017 damit um mindestens 83,00 EUR höher ist als der entsprechende Höchstleistungsanspruch in der am 31.12.2016 geltenden Fassung, ist kein Zuschlag zu gewähren. Das höhere Pflegegeld kompensiert den Wegfall des erhöhten Betrages nach § 45b Abs. 1 SGB XI in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung.

 

Beispiel 4

Ein Kombinationsleistungsbezieher der Pflegestufe III, bei dem ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand i.S.d. § 36 Abs. 4 SGB XI sowie eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz nach § 45b Abs. 1 SGB XI vorliegt, wird zum 01.01.2017 in den Pflegegrad 5 übergeleitet.

 

Höchstleistungsansprüche

bis Dezember 2016 ab Januar 2017

Pflegesachleistung

Pflegegeld

1.995,00 EUR

728,00 EUR

1.995,00 EUR

901,00 EUR

 

Ergebnis:

Der Leistungsbetrag des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI erhöht sich zum 01.01.2017 um 173,00 EUR. Die Differenz zwischen den Pflegesachleistungen bis Dezember 2016 und dem Pflegesachleistungsanspruch ab Januar 2017 beträgt 0,00 EUR. Da die Höchstleistungsansprüche nach §§ 36 und 37 SGB XI jeweils getrennt voneinander zu vergleichen sind und der Sachleistungsanspruch ab Januar 2017 nicht um mindestens 83,00 EUR höher ist als der entsprechende Höchstleistungsanspruch in der am 31.12.2016 geltenden Fassung, ist ein Zuschlag im Rahmen des Besitzstandsschutzes nach § 141 Abs. 2 SGB XI in Höhe von 83,00 EUR auf den Entlastungsbetrag zu gewähren.

(3) Der monatliche Zuschlag kann ebenso wie der Entlastungsbetrag gemäß § 45b Abs. 2 SGB XI flexibel innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen und der nicht verbrauchte Betrag ebenfalls in das darauffolgende Kalenderhalbjahr übertragen werden. Der Zuschlag wird bei Bestehen eines Anspruchs auf den Entlastungsbetrag automatisch gewährt, er muss also nicht gesondert beantragt werden.

Versicherte, die nach dieser Vorschrift Anspruch auf einen Zuschlag auf den Entlastungsbetrag haben, sind von der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen hierüber schriftlich zu informieren. Die Höhe und die Verwendbarkeit des Betrages sind den Versicherten dabei zu erläutern.

(4) Auf den monatlichen Zuschlag findet § 45b Abs. 3 SGB XI entsprechend Anwendung, mit der Folge, dass der allgemeine Grundsatz hinsichtlich des Zusammentreffens der Pflegeversicherung mit denen der Fürsorgeleistungen zur Pflege durchbrochen wird. Der Zuschlag findet wie der Entlastungsbetrag nach § 45b Abs. 1 SGB XI keine Berücksichtigung bei den Fürsorgeleistungen zur Pflege. Beide Leistungsansprüche bestehen daher nebeneinander. Dies gilt jedoch nicht für Leistungsansprüche nach §§ 64i und 66 SGB XII (Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1 und bei den Pflegegraden 2 bis 5), soweit diese Leistungen vorsehen, die inhaltlich deckungsgleich mit den Leistungen nach § 45b Abs. 1 Satz 3 SGB XI sind. In diesem Fall findet der Zuschlag Berücksichtigung und die Regelung des § 63b Abs. 1 Satz 3 SGB XII Anwendung.

(5) Bei Pflegebedürftigen, die am 31.12.2016 einen Anspruch auf den erhöhten Betrag in Höhe von bis zu 208,00 EUR hatten, aber keinen Anspruch auf den monatlichen Zuschlag nach § 141 Abs. 2 Satz 1 SGB XI haben, werden die monatlichen Leistungen der Pflegeversicherung (§§ 36, 37 oder § 41 SGB XI) in Höhe von 83,00 EUR nicht auf die Fürsorgeleistungen zur Pflege angerechnet.

 

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